Chinesisches Computerspiel: Verhaut die Korrupten
Wer korrumpierbar ist, wird bestraft. Wer sexbesessene Funktionäre schlägt, der punktet. In China gibt es ein staatlich verordnetes Onlinespiel.
Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem die chinesischen Staatsmedien nicht einen weiteren Erfolg bei der Korruptionsbekämpfung vermelden.
Vor ein paar Tagen haben die Behörden den Vizechef der Militärlogistik festgenommen. Ermittler hatten bei ihm zu Hause unter anderem ein goldenes Waschbecken und eine Mao-Statue – ebenfalls aus Gold – gefunden. Anfang des Jahres wurde sogar das gesamte Stadtparlament einer Millionenstadt wegen Bestechlichkeit abgesetzt.
Nun kann sich auch der Normalbürger an der Korruptionsbekämpfung beteiligen – und zwar online. Die chinesische Volkszeitung, das in China weit verbreitete Parteiorgan der KP, hat vor Kurzem ein Onlinespiel auf ihre Webseite gestellt, bei dem der Nutzer abwechselnd bestechliche Beamte, raffgierige Parteikader und sexbesessene Funktionäre mit einem Elektroschocker tasern und sie auf diesem Wege ins Gefängnis stecken kann.
„Da tanfu“ heißt das Spiel – verhaut den Korrupten! Angelehnt an das Jahrmarktbudenspiel „Whac-A-Mole“ poppen vor acht vergitterten Fenstern kurz die Grimassen dieser Kader auf. Per Mausklick muss der Spieler die Gesichter mit dem Taser treffen. Für jeden getroffenen Funktionär gibt es 100 Punkte. Allerdings erscheint ab und zu auch das freundliche Gesicht eines Polizisten. Wird er getroffen, gibt es Punktabzug. Der Spieler mit der höchsten Punktzahl wird auf einer Hitliste verewigt.
Kampagne der chinesischen Führung
Das Onlinespiel ist Teil einer Kampagne der chinesischen Führung, das „Problembewusstsein zu korruptionsrelevanten Verhaltensweisen“ zu schärfen. Staats- und KP-Chef Xi Jinping hatte bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr angekündigt, dass er weder „Fliegen“ noch „Tiger“ schonen werde. Was er damit meint: Egal ob Spitzenfunktionär oder niedrige Chargen – wer korrumpierbar ist, wird bestraft. Das Spiel soll bei dieser Bewusstseinsschärfung helfen.
Klingt doch nach einer guten Aktion. Trotzdem erntet das Spiel in der chinesischen Netzgemeinde eine Menge Hohn: Das Spiel gehe an der Realität vorbei. Zu den korruptesten Beamten gehöre schließlich der Polizeiapparat selbst. Daher sei es nur folgerichtig, auch den aufpoppenden Polizisten zu tasern. Recht haben diese Kritiker. Nur wäre das Spiel dann nicht langweilig?
Dann lieber die Variante von einigen Spielern, die sich einen Spaß draus machen, möglichst viele Polizisten zu tasern. Für sie zählt dann der Minusrekord. Das macht das Spiel zwar spannender, auf die Hitliste schafft man es auf diese Weise aber nicht.
Andere Nutzer loben den Realitätssinn der Spieleentwickler. Man könne in dem Spiel noch so viele korrupte Kader tasern und hinter Gitter bringen – es tauchten immerfort neue auf. Das entspreche voll und ganz dem wahren Leben in der heutigen Volksrepublik.
Paradies ohne Korruption
So viel Systemkritik hat ein KP-Organ schon lange nicht mehr zugelassen. Es ist nicht das erste Computerspiel eines KP-Organs zur Korruptionsbekämpfung. 2007 hatte die Provinzregierung von Zhejiang schon einmal ein Spiel zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. Darin sollte der Spieler schwer bewaffnet möglichst viele bestechliche Beamte abschlachten. Am Ende winkte dem Spieler ein Paradies ohne Korruption.
Selbstverständlich war das Spiel nicht allzu ernst gemeint, beteuerten die Initiatoren hinterher, kurz bevor das Spiel wieder vom Netz genommen wurde. Und doch: Implizierte diese Aktion nicht schon damals den Aufruf zum Umsturz? Nun wiederholt sich das. Ist doch schön.
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