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Chinas ambivalente Position im Golfkonflikt

Die chinesische Führung fordert den Irak ebenso wie die USA auf, die sowjetische Friedensinitiative zu nutzen/ Die Haltung Chinas im Golfkrieg soll aus der internationalen Isolierung führen, in die das Land nach dem Juni 1989 geraten war  ■ Von Larry Jagan

Vor seinem Abflug nach Europa rief der chinesische Außenminister Qian Qichen die USA gestern auf, die sowjetische Friedensinitiative nicht abzulehnen. China begrüße alle Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, damit eine Verhandlungslösung am Golf möglich wird, sagte Qian. „Wir hoffen also einerseits, daß der Irak schnell und ohne Bedingungen seine Truppen aus Kuwait abzieht, und andererseits, daß die Vereinigten Staaten diese Chance für eine Verhandlungslösung nicht vertun oder nicht zurückweisen werden.“

Am Vortag hatte der chinesische Premier Li Peng den Irak aufgefordert, diese Gelegenheit zu einem Rückzug aus Kuwait wahrzunehmen. Dies erklärte Li Peng vor Journalisten nach einem Treffen mit dem irakischen Vize-Ministerpräsidenten Saadum Hammadi, der überraschend in Peking aufgetaucht war.

Die jüngsten chinesischen Stellungnahmen zum Golfkrieg spiegeln die ambivalente Position der Regierung in Peking in der gegenwärtigen Krise im Nahen Osten wieder. Seit dem 3. August hat China wiederholt die irakische Invasion Kuwaits verurteilt und auf den Abzug der irakischen Truppen als Vorbedingung zu einem Frieden in der Golfregion bestanden. Zugleich jedoch enthielt sich China als einziges der fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates der Stimme, als über die Resolution abgestimmt wurde, die die Anwendung von Gewalt bei der Vertreibung der Iraker aus Kuwait autorisierte.

Seit Kriegsbeginn haben die Chinesen beide Seiten wiederholt aufgerufen, Zurückhaltung zu zeigen. Peking zeigte sich deutlich besorgt über das Ausmaß der Zerstörungen durch die Bombardierungen. Zumindest in privaten Äußerungen chinesischer Politiker werden daher die Bombardierungen, die auch die Zivilbevölkerung betreffen, durch die Alliierten kritisiert. Eine offene Verurteilung der UNO-Streitkräfte oder eine eigene UNO-Initiative ist jedoch unwahrscheinlich, da China gegenwärtig vornehmlich damit beschäftigt ist, seine Position in der internationalen Gemeinschaft zu rehabilitieren.

Mehr als alles andere hat es die Golfkrise ermöglicht, daß China wieder aus der internationalen Isolierung kommt, in die das Land nach der brutalen Niederschlagung der demokratischen Bewegung im Juni 1989 gesunken war. Die engen Beziehungen zum Irak und zur PLO, die China in der Vergangenheit pflegte, hinderten Peking daran, Saddam zu heftig zu kritisieren. Doch wichtiger war es der chinesischen Regierung, den Westen — und vor allem die USA — nicht zu verprellen, denn China ist verzweifelt darum bemüht, die ehedem so guten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wiederherzustellen.

Gleichzeitig jedoch hofft die chinesische Führung, ihren Einfluß in der Dritten Welt wieder zu stärken. In der Vergangenheit hatte sich Peking als Führer der Dritten Welt gesehen — die nach der Drei-Welten- Theorie eine homogene Gruppe darstellte. Mittlerweile hat sich jedoch in China die Sicht durchgesetzt, daß viele der Konflikte in der Dritten Welt nicht auf Großmachtpolitik zurückzuführen sind. Peking hat begonnen eine eigene Interessenpolitik zu verfolgen. Im Krieg zwischen dem Iran und dem Irak lieferte China ohne geringste Skrupel Waffen an beide Seiten — und versuchte, sich als gewissermaßen neutral zu geben.

Als schlimmster Alptraum erschien China seit Beginn des Golf- Konflikts im vergangenen August die Möglichkeit eines Kriegsausbruchs und dessen destabilisierender Effekt auf die gesamte Region. Denn die chinesische Führung glaubt, daß der Erfolg ihres Modernisierungsprogramms, das vor gut zehn Jahren eingeleitet worden war, von der Erhaltung des Friedens im internationalen Kontext abhängt.

Für China gibt es noch einen weiteren innenpolitischen Faktor. Es wird befürchtet, daß islamische Strömungen verstärkt über die Grenzen nach China hineinbrechen und den beträchtlichen moslemischen Bevölkerungsteil erreichen. Mit großer Sorge wird die Möglichkeit gesehen, daß islamischer Fundamentalismus die islamische Bewegung in der vorwiegend moslemischen Nordwest- Provinz Xinjiang stärken könnte, wo im letzten Jahr bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Moslems und den lokalen chinesischen Behörden mehr als dreißig Menschen getötet wurden. Für die Zeit nach dem Golfkrieg sieht die Pekinger Regierung mit Besorgnis den wachsenden Einfluß der USA im Nahen Osten, dem nach dem Niedergang der Rolle der SU kein Gegengewicht mehr gegenübersteht.

Mit der Entsendung eines seiner Vizeaußenminister, Yang Fuchang, in den Nahen Osten in der vergangenen Woche wollte die chinesische Regierung zeigen, daß sie bei der Friedensdiplomatie mitspielt. Mit dieser Geste will sich China wieder ins internationale Blickfeld bringen, als wichtige — und glaubwürdige — internationale Macht, die den Anspruch hat, an den Nachkriegsverhandlungen beteiligt zu werden.

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