Chinas Zukunftspläne: Wachstum und Waffen
Es soll „schmerzhafte“ Veränderungen geben. Chinas Ministerpräsident will 7,5 Prozent Wachstum in diesem Jahr. Trotz schwacher Konjunktur steigt der Militäretat.
PEKING dpa/rtr | Chinas Ministerpräsident Li Keqiang hat „schmerzhafte strukturelle Veränderungen“ angekündigt, um neues Wachstum für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zu erreichen. In seinem Rechenschaftsbericht zum Beginn der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking warnte der Premier am Mittwoch vor „tief sitzenden Problemen“ und einem starken Abwärtsdruck für die Wirtschaft. Der Markt werde eine „entscheidende Rolle“ in seinen Reformen spielen.
Als Wachstumsziel gab Li wie im Vorjahr ein Plus von 7,5 Prozent vor. 2013 waren im zweiten Jahr in Folge 7,7 Prozent erreicht worden – so wenig wie zuletzt 1999. „Chinas Reform hat eine kritische Phase erreicht“, sagte der Premier vor den knapp 3000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes. Als Wachstumsmotor will die Regierung den heimischen Konsum stärker ankurbeln, um die Abhängigkeit von Exporten und Investitionen zu verringern.
„Die Erholung der Weltwirtschaft erlebt weiter Instabilität und Ungewissheiten“, sagte Li Keqiang. Trotz der schwächeren Konjunktur steigt allerdings der chinesische Militäretat vor dem Hintergrund der Spannungen Chinas mit Nachbarn wie Japan oder den USA überdurchschnittlich stark um 12,2 Prozent auf 808 Milliarden Yuan (umgerechnet 95 Milliarden Euro). Das zusätzliche Geld werde vor allem in die Küsten- und Luftabwehr sowie in die Entwicklung von hochtechnologischen Waffen investiert.
China hat damit den zweitgrößten Militärhaushalt nach den USA mit 526,8 Milliarden Dollar (383,4 Milliarden Euro) im Jahr 2014. Experten gehen jedoch davon aus, dass Peking einen Großteil der Rüstungsausgaben außerhalb des regulären Budgets tätigt. Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten demnach tatsächlich auf etwa 146 Milliarden Euro.Die Volksrepublik hat immer wieder betont, dass der Ausbau des Militärs für den Rest der Welt kein Grund zur Besorgnis sei, sondern lediglich der eigenen Verteidigung diene.
Haushaltsdefizit wächst
Das Haushaltsdefizit der Volksrepublik klettert in diesem Jahr um 150 Milliarden auf 1,35 Billionen Yuan (160 Milliarden Euro). Das sind wie im Vorjahr 2,1 Prozent der Wirtschaftsleistung. Finanzminister Lou Jiwei warnte in seinem Bericht für den Volkskongress vor „ernsten Ungleichgewichten zwischen Einnahmen und Ausgaben“.
Die Regierung will die Inflation bei 3,5 Prozent (2013: 2,6 Prozent) kontrollieren. Die Im- und Exporte der weltgrößten Handelsnation sollen um 7,5 Prozent zulegen. Investitionen aus staatlichen und vermehrt auch privaten Quellen spielen weiter eine wichtige Rolle für das Wachstum, wie aus dem Bericht des Premiers hervorgeht. So sollen die Anlageinvestitionen um 17,5 Prozent (2013: 19,6 Prozent) steigen.
Reform des Finanzsektors
Der Finanzsektor, in dem nach Warnungen des Finanzministers durch die Schuldenberge lokaler Regierungen viele Risiken schlummern, soll vorrangig reformiert werden. Die Zins-Liberalisierung wird nach Lis Worten fortgesetzt, indem Finanzhäusern mehr Befugnisse gewährt werden, selbst Zinsen festzulegen. Der Premier kündigte auch an, dass China ein Versicherungssystem für Bankeinlagen einführen und Risikomechanismen von Finanzhäusern verbessern werde.
Die begrenzte Handelsspanne der chinesischen Währung werde ausgeweitet und der Kurs des Yuan (Renminbi) auf einem „angemessenen, ausgeglichenen Niveau“ gehalten, sagte Li. China wolle sich weiter auf eine Konvertibilität zubewegen. Die neu gegründete Shanghaier Freihandelszone, wo China mit Finanz- und Währungsreformen experimentieren will, soll ausgebaut und als Modell für weitere Versuchsprojekte dieser Art im Land dienen, sagte der Premier.
Außer den Militärausgaben steigt im Haushaltsentwurf für 2014 auch der Etat für das Gesundheitswesen und Familienplanung überdurchschnittlich stark um 15,1 Prozent auf 303 Milliarden Yuan (36 Milliarden Euro). Für soziale Sicherheit und Arbeit sollen mit 715 Milliarden Yuan 9,8 Prozent mehr ausgegeben werden.
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