Chinas „Super-Bulle“ droht Haft: Mord, Korruption und Intrigen
Nach nur zwei Verhandlungstagen hinter verschlossenen Türen ging der Prozess gegen den ehemaligen Polizeichef Wang Lijun zu Ende. Das Urteil wird erst später verkündet.
PEKING dpa | Die chinesische Justiz hat mit dem „Super-Bullen“ Wang Lijun kurzen Prozess gemacht: Nach nur zwei Verhandlungstagen endete am Dienstag das Verfahren gegen die Schlüsselfigur im größten Skandal in der jüngeren Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas. Der ehemalige Polizeichef hatte die Affäre um den entmachteten Spitzenpolitiker Bo Xilai ins Rollen gebracht.
Wann das Volksgericht in Chengdu in Südwestchina das Urteil sprechen wird, ist unklar. Ihm droht eine hohe Haftstrafe, wie seine Anwältin Wang Yuncai der Nachrichtenagentur dpa sagte.
Die Möglichkeit, dass sogar eine Todesstrafe oder lebenslange Haft verhängt werden könnten, wies die Anwältin aber zurück: „Es ist unmöglich, dass die Strafe so hoch sein wird.“ Immerhin sei der 52-Jährige geständig gewesen und habe kooperiert. Dem früheren Polizeichef und Vizebürgermeister von Chongqing wurden Fahnenflucht, Machtmissbrauch, Rechtsbeugung und Bestechlichkeit vorgeworfen.
Parteichef gestürzt
In dem Politkrimi wurde der mächtige Parteichef von Chongqing, Bo Xilai, im März gestürzt. Die Partei ermittelt gegen ihn wegen „schwerer disziplinarischer Verstöße“. Ein baldiger Prozess ist möglich.
Seine Ehefrau Gu Kailai wurde im August wegen Mordes an dem befreundeten britischen Geschäftsmann Neil Heywood verurteilt. Die Anwältin erhielt ein Todesurteil auf Bewährung, was in lebenslange Haft umgewandelt werden kann.
Die Anklage warf dem Ex-Polizeichef vor, den Mord „absichtlich vertuscht“ zu haben, damit Gu Kailai nicht zur Rechenschaft gezogen werden könne. Die Umstände seien „besonders schwer“ zu werten, zitierte die Nachrichtenagentur Xinhua.
Flucht ins US-Konsulat
Ähnlich schwer wiege die Fahnenflucht, weil Wang Lijun als hoher Funktionär Staatsgeheimnisse besessen habe. Der Vorwurf war am Montag hinter geschlossenen Türen verhandelt worden. Es geht um die Flucht des Polizeichefs im Februar in das US-Generalkonsulat in Chengdu, wo er über Korruption und den Giftmord an dem Briten auspackte.
Wang Lijun hatte sich mit der Familie von Bo Xilai überworfen und fürchtete nach Medienberichten um sein Leben. Nach dem peinlichen diplomatischen Zwischenfall im US-Konsulat begab sich Wang Lijun nach 30 Stunden in die Obhut der Pekinger Staatssicherheit.
Wegen seines angeblichen Kampfes gegen das organisierte Verbrechen hatte sich Wang Lijun den Ruf als „Super-Bulle“ erworben. Er soll aber in dunkle Machenschaften und Korruption verwickelt gewesen sein.
In der Kampagne, die Bo Xilai und Wang Lijun gegen mafiöse Strukturen in der 30-Millionen-Metropole gestartet hatten, wurden Tausende verhaftet. Dutzende erhielten die Todesstrafe. Kritiker sahen ein teils rechtswidriges Vorgehen, um alte Machtstrukturen zu zerschlagen und selbst die Kontrolle über die Stadt zu übernehmen.
Das Recht ignoriert
„Was Menschenrechte angeht, war es eine Katastrophe“, sagte der Bürgerechtsanwalt Teng Biao der dpa. „Was immer Wang getan hat, war illegal. Rechtmäßige Verfahren ignorierte er einfach.“
Ihm wurden in dem Prozess auch illegale Abhörmaßnahmen vorgeworfen. Es war unklar, ob es sich auf Vorfälle bezieht, über die die New York Times berichtet hatte. So sollen Wang Lijun und Bo Xilai sogar Staats- und Parteichef Hu Jintao und Vizepräsident Xi Jinping abgehört haben.
Die Enthüllungen erschütterten die sorgfältigen Vorbereitungen für den nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitag im Herbst, auf dem Vizepräsident Xi Jinping das Ruder als künftiger Staats- und Parteichef von Hu Jintao übernehmen soll. Der Sturz von Bo Xilai war ein schwerer Schlag für die Linken in der Partei, die ihn wegen seiner revolutionären Kampagnen zu ihrer Galionsfigur erhoben hatten.
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