Chinas Olympia-Maskottchen: Das schiere Grauen
Fünf schnuffige Maskottchen sollen die Olympia-Gäste bespaßen. Die Chinesen selbst haben jedoch eine höllische Angst vor dien Symbol-Gremlins: Sie bringen Unglück!
Dackel Waldi in München 1972 war das erste Maskottchen bei Olympischen Spielen überhaupt. Sydney trumpfte im Jahr 2000 bereits mit vier Maskottchen auf, unter anderem dem inoffiziellen, aber bei weitem populärsten Maskottchen "Fatso", einem dickarschigen Wombat.
Die Olympiaorganisatoren in Peking wollen in diesem Jahr alle bisherigen Rekorde brechen: Mit Beibei, Jingjing, Huanhuan, Yingying und Nini, die zusammengesetzt "Beijing Huanying Ni" (Peking heißt dich herzlich willkommen) ergeben, haben Pekings Olympiaorganisatoren gleich fünf Maskottchen ins Rennen geschickt. Sie repräsentieren, farblich abgestimmt auf die Olympischen Ringe, die Sportfelder Schwimmen, Kampf- und Kraftsportarten, Ballsportarten, Turnen und Leichtathletik, symbolisieren zugleich aber auch die Bestandteile der Fünf-Elemente-Lehre des Daoismus: Wasser, Holz, Feuer, Erde und Metall.
Doch bei den Chinesen selbst kommen die Fuwas (übersetzt: die freundlichen Kinder) gar nicht so freundlich daher, wie sie eigentlich sollten: Das schnuffige Quintett löst bei den Chinesen geradezu Furcht und Schrecken aus. Sie geben den Fuwas die Schuld daran, dass China derzeit kein gutes Jahr erlebt.
Beibei ist eine zierliche Fischdame und lebt im großen Jangtse-Fluss. Sie steht symbolisch für Wasser und damit für Klarheit und Sanftmut. Bei den Spielen steht sie für sämtliche Wassersportarten. Zugleich ist der Fisch neben dem Lotus ein beliebtes Symbol des chinesischen Neujahrsfestes. Er steht für Wohlstand. Doch nun wird Madame Beibei die Schuld daran gegeben, dass Südchina derzeit eine der größten Überschwemmungen der vergangenen Jahre erlebt. Es wird mit noch Schlimmerem gerechnet: Weil es sich bei der Fischdame um eine Karpfensorte aus dem Jangtse handelt, wird befürchtet, dass der größte Fluss Chinas in diesem Jahr - wie schon viele Male zuvor - über die Ufer treten könnte.
Huanhuan sollte eigentlich der große Star des Quintetts sein. Er wird als leidenschaftlich beschrieben und steht für alle Ballsportarten. Auf seinem Haupt trägt er in roter Farbe eine feurige Krone - die olympische Fackel. Doch so feurig sein Haupt ist, so heiß umkämpft verlief auch der Fackellauf. Wollte sich die chinesische Zentralregierung mit diesem Lauf eigentlich weltweit von ihrer besten Seite zeigen, entwickelte sich mit den Protesten gegen die Menschenrechtsverletzungen in China derselbige zum größten PR-Desaster. In Paris gelang es Menschenrechtsaktivisten sogar, die Fackel gleich mehrmals zu löschen. Durchgebrannt ist Huanhuan zwar noch nicht. Aber ganz so feurig wirkt er nicht mehr.
Ausgerechnet Jingjing, der schnuckelige Panda, symbolisiert Chinas größten Schrecken in diesem Jahr. Pandas werden eigentlich als ehrlich und optimistisch beschrieben. So wie im aktuellen Kinohit Kungfu-Panda kunstvoll mit seinen Hackefäusten herumfuchtelt, soll auch Jingjing für den chinesischen Kampfsport, aber auch für die olympischen Disziplinen Gewichtheben und Judo stehen. Doch so wie alle Pandabären ist Jingjing ausgerechnet in der Region beheimatet, die im Mai das Epizentrum des verheerendsten Erdbebens der vergangenen 30 Jahre in China war. Auch die berühmte Pandazuchtstation blieb nicht verschont. Das konnten auch Jingjings Kampfsportkünste nicht verhindern.
Nini soll eine Schwalbe sein und erscheint auf den ersten Blick noch als das harmloseste und unschuldigste Geschöpf im olympischen Horror-Quartett. Sie soll nach dem Willen ihrer Gestalter für ein gutes Schicksal stehen und repräsentiert die Disziplin Turnen. Doch dieser erste Eindruck täuscht: Auf ihrem Kopf klebt ein chinesischer Lenkdrachen. Die besonders bekannten Lenkdrachen in China kommen traditionell aus der Provinzstadt Weifang. Ausgerechnet in Weifang allerdings hat es Anfang dieses Jahres ein verheerendes Eisenbahnunglück mit mehreren hundert Toten gegeben - die erschütternden Bilder gingen seinerzeit um die Welt. Auch an Nini, dem flatterigen Unschuldsvogel, klebt Blut.
Yingying ist ein männlicher Tschiru, eine tibetische Antilope. Als lebhaftes und flinkes Wesen steht er für Gesundheit und die Leichtathletik-Disziplinen. Zugleich sind Tschirus vom Aussterben bedroht - und damit sind wir bereits beim bösen Omen. Denn genau so fühlen sich auch die Tibeter: als vom Aussterben bedroht. Die Aufstände im Frühjahr in der tibetischen Hauptstadt Lhasa waren nur der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von blutigen Aufständen und Unabhängigkeitsbestrebungen nicht nur der Tibeter, sondern auch der in der Provinz Xinjiang lebenden Uiguren. Wegen der Tibetfrage stand die Zentralregierung in Peking mal wieder am Pranger. Yingying ist alles andere als lebhaft und munter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut