Chinas Internet-Zensur: Die "große Firewall"

Mit ausgefeilter Zensur verhindert Chinas Regierung, dass sie im Internet kritisiert wird. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat nun erstmals das System dahinter genau beschrieben.

Jenseits der "großen Firewall": Surfer in einem Perkinger Internetcafe. Bild: dpa

BERLIN taz Das Internet wird immer wichtiger in China - in kaum einem anderen Land gibt es größere Wachstumsraten, was die Anzahl der neuen Netznutzer anbetrifft. Dennoch ist die Online-Welt in dem Riesenreich eine ganz andere als die im Westen - das Netz und seine Inhalte werden mit einem ausgefeilten Zensursystem kontrolliert, das laut chinesischen Gesetzen "zersetzenden" Widerspruch an der Regierung, "staatsfeindliche" religiöse Aktivitäten oder etwa "schädliche" Dinge wie Sexualität und Glücksspiel auszublenden versucht. Unerwünschte Inhalte sind schlicht nicht zu erreichen, die Netzaktivitäten der Bürger werden gleichzeitig scharf überwacht.

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen", die sich für die freie journalistische Arbeit und die Meinungsfreiheit in der ganzen Welt einsetzt, hat nun einen chinesischen IT-Experten damit beauftragt, die Verwaltungsdetails hinter dieser Zensurmaschine zu ermitteln. Die Studie mit dem Titel "Reise in das Herz der Internet-Zensur" wurde in Zusammenarbeit mit der chinesischen Menschenrechtsorganisation "Chinese Rights Defenders" erstellt und erscheint pünktlich zum 17. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas, der diese Woche in Peking beginnt. Mit der Dokumentation wollen beide Organisationen den Druck auf die KP erhöhen, Pressefreiheit, freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in dem Land endlich zuzulassen.

160 Millionen Internet-Nutzer gibt es aktuell in China, mindestens 1,3 Millionen Websites publizieren in dem Land, 19 Prozent der Chinesen betreiben eigene Weblogs. Doch das Versprechen der digitalen Vernetzung, Informationen frei austauschen zu können, werde durch Zensur und Überwachungssysteme in China konterkariert, so Reporter ohne Grenzen. Tausende Websites seien auch ein Jahr vor der Olympiade in Peking gesperrt, Online-Nachrichten würden manipuliert und Internet-Aktivisten wanderten weiterhin reihenweise ins Gefängnis. In das Zensursystem investiere Peking "kolossale finanzielle und personelle Mittel". Chinesische Websites und Weblogs seien sowohl auf nationaler als auch lokaler Ebene in den Propaganda-Apparat der Regierung integriert, so der Bericht.

Das Kontrollsystem, das Reporter ohne Grenzen nun aufdeckte, ist mehrstufig. Demnach sind drei Regierungs- und Parteibehörden federführend beteiligt: Das "Büro der Internet-Propaganda-Verwaltung", das "Büro für Information und öffentliche Meinung" sowie das so genannte "Internet-Büro". In Peking, wo die wichtigsten kommerzielle Website-Betreiber des Landes sitzen, ist zudem eine örtliche Behörde eingerichtet worden, die sich "Pekinger Verwaltungsbüro für Internet-Informationen" nennt.

Das feingliedrige Kontrollsystem, das hier Anwendung findet, lässt Erinnerungen an den Orwell'schen Überwachungsstaat aufkommen. Wer in China eine kommerzielle Website betreiben will, muss sich zunächst eine Lizenz bei der "Propaganda-Verwaltung" holen. Doch dies allein reicht noch nicht aus, um auch eigene Informationen sammeln und publizieren zu dürfen. Lediglich Berichte der offiziellen Regierungsmedien dürfen wiedergegeben werden. Das "Büro für Information und öffentliche Meinung" ist hingegen dafür verantwortlich, sich wöchentlich mit den Betreibern kommerzieller Websites zu treffen, um die "öffentliche Meinung im Netz" erfassen und an die KP weiterzutragen zu können. Auch Sicherheitsbehörden und andere Propagandaeinrichtungen werden so laufend über die Internet-Aktivitäten der Bürger informiert.

Das "Internet-Büro", 2006 von der KP ins Leben gerufen, führt schließlich eine so genannte "ideologische Kontrolle" durch. Mitarbeiter der Propagandabehörden werden in Kursen auf die Parteizensurlinie gedrillt - und selbst Manager und Redakteure von Online-Firmen müssen mindestens einmal im Jahr antanzen, um dann an einer Reise zu den Geburtsstätten des Kommunismus in China teilzunehmen. Anschließend müssen sie auf ihren Internetseiten darüber berichten. Laut "Reporter ohne Grenzen" nahmen allein am letzten "Indoktrinationstripp 18 Internet-Firmen teil - mit Yahoo war auch eine US-Firma vertreten. Yahoo betreibt zusammen mit einem chinesischen Partner ein Portal.

Die Kommunikation innerhalb der Zensurbehörden ist hochmodern: Die Propagandisten und Zensoren nutzen Instant-Messaging genauso wie SMS, um mit ihren "Klienten" zu kommunizieren - etwa um einem Anbieter zu verbieten, bestimmte Kommentare zu veröffentlichen.

Doch trotz der allgemeinen Selbstzensur und der technischen Filter kommt es immer wider vor, dass unerwünschte Meinungen im Netz auftauchen. Dann greifen die Zensoren durch: Im schlimmsten Fall wird eine lizenzierte Seite geschlossen und ihre Verantwortlichen gerichtlich belangt.

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