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China in der taz

Die Fakten der West-Presse über das Peking-Massaker in allen Ehren, aber ihre ideologischen Lehren daraus überzeugen weniger: Markt Freiheit, ökonomische Liberalisierung Wunsch nach westlichem Parlamentarismus ( studentische Demokratiebewegung), Kommunismus Unfreiheit ( Staatspartei und Armee).

Manches spricht dafür, daß die KPCh-Partei-Bürokraten ihre anfänglichen Marktöffnungserfolge dazu benutzten, die Massen zu pazifizieren, die eigene Macht aus- und basisdemokratische Bewegungen abzubauen. Die „Vergreisung“ und Korruption der Machthaber wäre dann auch Abfallprodukt der „Modernisierung“ - nicht bloßes Gegenteil davon.

Die Öffnung der VR China verleiht ihrer Geschichte einige westliche Züge: Deng Xiaoping wird in den Medien als großer Reformer gefeiert, und erhält so neben ökonimisch -politischem Machtzuwachs - auch mehr internationale und nationale Legitimation.

Neue weltmarktinduzierte Produktions- und Konsumformen führen auch zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten (Inflation und Arbeitslosigkeit) und entsprechenden Protesthaltungen, die diffus sind, weil auch ihre Ursachen komplex und nicht nur „hausgemacht“ sind.

In dem Maße, in dem die von den Westmetropolen beherrschten modernen Medien nach China vordringen, liefern sie in wachsendem Maße auch Interpretationsmuster für das Verstehen der Wirklichkeit. Da die Besetzung des Tiananmen-Platzes dank westlicher JournalistInnen zum weltweiten Ereignis wird, wirkt sich das auch auf die Selbst- und Situationseinschätzung der DemonstrantInnen aus. Es wäre immerhin eine Untersuchung wert, ob das auch zu taktischen Fehleinschätzungen geführt hat.

Ideologisch an der herrschenden Darstellung ist, daß sie bei dem Geschehen westliche Fingerabdrücke wegfiltert und die Trauer über Tote und Totalitarismus mit euphorischer Werbung für Markt, Medien und Wahlurnen unterbricht. Und was macht die Linke?

Kremb (taz vom 30.6.89) entdeckt „ein fundiertes Chinabild im bundesdeutschen TV“ und träumt vom Schulterschluß mit den Medienmächtigen: „Bestand in der Vergangenheit sicher viel Anlaß, über die Fernsehberichterstattung der Öffentlich -Rechtlichen zu mäkeln, so war es der erste Auftakt zu einer Reihe von Analysen, die sich jetzt hoffentlich an Fakten und nicht an Wunschbildern orientieren.“

Innerhalb der Linken geht es unzärtlicher zu. Da meint H.C.Buch (taz vom 27.6.89) zu Gremlizas Chinaansichten: „Das ist politische Pornographie, für die das Adjektiv stalinistisch noch zu schmeichelhaft wäre.“ Und Karikaturist Wössner (taz vom 1.7.89) legt abgefuckt aussehenden 68ern den Satz in den Mund: „Unter Mao hätte es diese bourgeoisen Demos nicht gegeben.“ (Die Hitler-Nostalgie -Parallele ist beabsichtigt.)

G.Tornow (taz vom 1.7.89) sieht zwar die Zerrissenheit der Linken, aber schreibt dennoch: „Die linke Landschaft ist in den letzten 20 Jahren in der Bundesrepublik vielgestaltig und breiter geworden.“

Manchmal wirkt es so, als ob die 89er Linke von den K -Gruppen der 70er Besserwisserei, Erfolgs-Zweckoptimismus und zänkisch-geschwistermörderisches Sektierertum geerbt hat. Praktisch (Halt in den Massen, Nähe zu den Hebeln der Systemveränderung) und theoretisch (kohärentes System der Realiltätsdeutung und des Handelns) hat sie aber eher noch mehr abgewirtschaftet. Sollte die Linke tatsächlich im Arsch sein, dann kann sie erst wieder erstarken, nachdem sie sich ihre allseitige Ohnmacht eingestanden hat.

M.Pannekoek, Neumünster

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