■ China: Hohe Haftstrafen für Gründer einer unabhängigen Partei: Vorsorgliche Unterdrückung
„Das Huhn töten, um den Affen zu erschrecken“ lautet ein chinesisches Sprichwort. Nach diesem Motto haben Chinas Behörden Gefängnisstrafen von 13 und 11 Jahren über zwei Gründer der Demokratischen Partei verhängt. Sie hatten es gewagt, das Monopol der seit 1949 allein regierenden Kommunisten herauszufordern. Dafür sollen sie jetzt abschreckend mit hohen Strafen büßen. Daß die Rede- und Versammlungsfreiheit vom UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Peking im Oktober unterzeichnet hat, ausdrücklich anerkannt wird, daß auch Chinas Verfassung sich zu den Bürgerrechten bekennt, stört die KP-Führung wenig.
Vielmehr blicken die KP-Führer in Peking sorgenvoll ins Jahr 1999. Denn im Jahr des Hasen steht nicht nur am 4. Juni der zehnte Jahrestag der gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung an, sondern auch der fünfzigste Geburtstag der Volksrepublik am 1. Oktober und das achtzigste Jubiläum der 4.-Mai-Bewegung. Das Erbe dieser nationalistischen Bewegung für gesellschaftliche Reformen reklamieren sowohl die Kommunisten als auch die Demokratiebewegung für sich. Angesichts steigender Arbeitslosigkeit fürchten Chinas KP-Führer nicht zu Unrecht, daß die Jahrestage im nächsten Jahr zu Kristallisationspunkten neuer Proteste werden könnten. Deshalb ist es für die KP wichtig, die Demokratische Partei schon im Gründungsstadium zu zerschlagen. Dabei verhält sich die kleine Partei gegenüber der chinesischen KP mit ihren 55 Millionen Mitgliedern wie eine Mücke zum Elefanten. Mit ihrer harschen Reaktion zeigen die Kommunisten, daß sie kein dickes Fell haben und sich vor Infektionen fürchten.
Die Urteile gegen die Parteigründer sind auch ein Affront gegenüber den westlichen Regierungen, die in diesem Frühjahr auf den Versuch verzichtet hatten, vor der UN-Menschenrechtskommission in Genf eine Verurteilung Chinas zu erwirken. Denn Peking straft jetzt jene Regierungen Lügen, die meinten, in der Volksrepublik habe sich die Lage der Menschenrechte gebessert. Dies war unter anderem mit der Freilassung und Abschiebung der Dissidenten Wei Jingsheng und Wang Dan begründet worden.
Wenn die westlichen Politiker sich selbst ernst nehmen, dürfte an einer Verurteilung Chinas in Genf im nächsten Frühjahr nichts vorbeiführen. Doch zu befürchten ist statt dessen, daß China die verurteilten Dissidenten eines Tages als Faustpfand einsetzt, um von westlichen Regierungen neue Zugeständnisse im Tausch gegen eine Abschiebung zu erhalten. Dann hätte das tote Huhn seinem Halter auch noch einen schönen Preis eingebracht. Sven Hansen
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