piwik no script img

Chill-Out or Make-it, Take-it

■ Jeden Tag kommen mehr Jugendliche in den neu eröffneten Sportgarten in der Pauliner Marsch: Dass hier eine fette Location entstanden ist, spricht sich sehr schnell herum. Selbsttest eines alten Herren

Die Ozonwerte liegen in astronomischer Höhe und die Raucherlunge pfeifft. Was viel schlimmer ist: Der Blonde mit dem Stoppelschnitt, der vom Journalisten gedeckt werden soll, hat den Basketball. Und seine Mannschaft liegt mit vier Punkten vorne. Schon wieder stellt er sich an die Drei-Punkte-Linie, schaut kurz böse, und versenkt die Pille im Netz. Alte Knacker machen hier keinen Stich.

Eine Woche ist der Sportgarten in der Pauliner Marsch jetzt offen, und langsam spricht sich rum: Eine fette Location haben sich die Jugendlichen da selbst erarbeitet. Der Basketballplatz ist erste Sahne, auch wenn die Körbe ein paar Zentimeter tiefer hängen als die vorgeschriebenen 3 Meter 05. Die Skater-Anlage mit Half-Pipes, Rampen und Kanten ist einzigartig in der Region. Der kleine Rasenplatz kann für Tennis, Badminton oder sonstwas genutzt werden. Im hinteren Eck ist ein Beachvolleyball-Feld am entstehen. Und auch der große Fussballplatz wurde vor drei Tagen abends eingeweiht.

Das ganze geht nicht ohne Geburtswehen ab. Ein Stöppke kommt zu Sportgarten-Organisator Uli Barde und berichtet, dass eine fingerlange Schraube aus der Rampe gefallen ist. Und als während des Einweihungsspiels auf dem Fussballplatz das Flutlicht kurzfristig ausfiel, war die Aufregung groß: Weniger wegen der Technik, als wegen des Tores, das in gleicher Sekunde oder kurz nach dem Dunkelwerden fiel. Aber sonst lässt sich der Sportgarten gut an: Jeden Tag kommen mehr Jugendliche, um hier ab nachmittags Sport zu treiben oder den anderen beim Schwitzen zuzusehen.

An dem provisorischen Kiosk gibt es Eis und Bratwurst. Heute, bei den Temperaturen, sind die Getränke der Renner: 0,3 Mineralwasser für eine Mark. Und der beliebteste Mensch auf dem gesamten Areal ist heute immer derjenige, der gerade den frischgelegten Rasen und nebenbei die Jugendköpfe wässert – denn die nassen Haare sind Minuten nach der Dusche trocken.

Clemens ist rohaarig, 16, extra aus Eystrup mit dem Ferienticket angereist und ebenfalls in der verlierenden Basketballmannschaft. Seine zwei Meter und irgendwas setzt er nicht gewinnnbringend genug ein. Der ein-Meter-sechzig Junge aus der C-Jugend ist da schon effektiver. Vielleicht weil er der einzige ist, dem nicht die Puste ausgeht. Doch gegen den Dreier-Schützen ist kein Kraut gewachsen. Und auch nicht gegen den anderen, mit dem grünen T-Shirt, der immer geil auf eine Gelegenheit wartet, einen Dunking hinzulegen. Was natürlich billig ist, weil die Körbe tiefer hängen.

Nach einem dieser Stopfer wackelt der ganze Mast gar bedenklich. „Der Korb soll nicht missbraucht werden“, rezitiert einer das kleine Schild an der Metallstange. „Also laß Deine Hosen oben“, sagt ein anderer. Siegen macht lustig. Alt-Herren-Verlierer setzten eine Runde aus. Clemens auch. Und erzählt bei Pommes seine kurze Lebensgeschichte von der Kindheit in Halle bis zum Stranden in Eystrup.

Zum viel Bewegen haben um diese Zeit wenige Lust. Die Skateboard-Fahrer, die modisch (Lange Hosen, Schritt in den Kniekehlen, old-style Turnschuhe, Mütze) ihre Runden drehen, haben wenigstens noch den Fahrtwind. Die Vierräder rattern die Rampen runter und ab und zu steigt einer unfreiwillig ab. Zwei Leute haben Verbände an der Hand. Auch einem der jungen Mitbegründer der Sportgarten-Idee ist es zu heiß für make-it, take-it auf dem Basketball-Platz. Ein paar Würfe sind schon o.k., Werbung machen geht so ohnehin besser: „Wenn Du Vereinsmitglied wirst, kannst Du den ganzen Basketballplatz mieten“. So will der Sportgarten einen Teil der Unkosten reinbringen. Gehofft wird auch auf einen Zuschuss aus dem Bildungsressort. Für alte Herren kostet die Mitgliedschaft 200 Mark im Jahr. Jugendliche zahlen 100 Mark und können dann ohne Eintrittsgebühr die Skaterbahn und andere kostenpflichtige Dinge nutzen.

Manche von den Kids könnten auch das sechsfache zahlen“, glaubt Uli Barde. Aber man hält die Preise bewusst niedrig, damit es zu keiner sozialen Ausgrenzung kommt. Denn die Idee ist: Alle, die sich in den letzten Jahren für den Sportgarten eingesetzt haben, sollen kommen. Und das waren nicht wenige: Allein beim letzten Sponsoren-Lauf beteiligten sich fast alle Schulen der näheren Umgebung. 57.000 Mark wurden an einem Tag gesammelt. Mit ihren Aktionen und Pauliner Märschen haben die Jugendlichen mehr als 200.000 Mark, rund ein Zehntel der Kosten, gesammelt. Der Sportgarten gehört den Jugendlichen.

Wenn im September offizielle Einweihung gefeiert wird, kommen auch die Politiker. Willi Lemke rannte schon beim letzten Pauliner Marsch mit, Schirmherr Marco Bode verteilte Autogramme an die Jugend. „Die sollen dann keine langen Reden halten, sondern sich hier irgendwie sportlich betätigen“, plant Barde schon im voraus. Fussball oder Basketball. Hoffentlich treffen sie dann nicht auf den Blonden mit dem messerscharfen Drei-Punkte-Blick. Für die ältere Generation ist das nämlich ziemlich frustrierend. Christoph Dowe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen