Chilenischer Film: Die Nacktheit nach dem Sex

"En la cama" von Matías Bize ist ein Kammerspiel für zwei Personen und ein Hotelzimmer. Es geht um einen One-Night-Stand und darum, was er enthüllen kann.

Softie oder Egoist? Bruno, gespielt von Gonzalo Valenzuela. Bild: farbfilm-verleih

Das Bild liegt noch im Dunkeln, da hören wir schon das unmissverständliche Gestöhne. Als lägen wir schlaflos im Hotelzimmer nebenan. Und genau darum soll es wohl einen ganzen Film lang gehen, um ein mehr oder minder unfreiwilliges Beiwohnen fremder Intimitäten und Schamlosigkeiten, und, wenn man einen Schritt zurück macht, sicher auch um den Voyeurismus des Kinos selbst. Was einen daran gleich zu Anfang stören könnte, ist diese Keckheit, mit der sich "En la Cama" ("Im Bett") ins Zeug legt, und dieser naive Glaube, allein in der Nacktheit eine besonders nachdrückliche Wahrheit anzutreffen.

Etwas Helles, Konturenloses blendet sich ein, das könnte die Bettdecke sein, da ein Bein, ein Rücken, eine Brust. Es dauert noch ein bisschen, dann erreicht das Paar den Höhepunkt. Jetzt ein Pfefferminz oder eine Zigarette. Das obligatorische Wie-heißt-du-eigentlich nochmal? Daniela und Bruno, zwei Menschen bei einem One-Night-Stand. Man weiß nichts von einander, teilt nur diese Laune, dieses Hotelzimmer, dieses Bett und ist sich nicht sicher, ob einen der geistig-seelische Rest des anderen wirklich interessieren könnte.

Als der Automatismus der Lust einmal aussetzt, lassen die beiden ihre Gedanken in immer größer werdenden Kreisen um sich und um den Rest des Lebens schlendern. Sie setzen sich in die Badewanne, erspinnen sich Kinoanfänge, schwärmen von den Zeichentrickfilmen der 80er Jahre und grübeln über Gott und die Komplexität des Zufalls. Doch je mehr sich das Paar selbst in seinem heiteren popkulturellen, Geplänkel gefällt, desto klarer wird auch, dass es nicht ohne erdenschweres Kontrastpogramm davonkommen wird. Und plötzlich stecken sie mittendrin, durchleben eine Beziehung im Laufschritt, vom ersten Misstrauen zum Streit bis zur Ernüchterung.

Daniela (Blanca Lewin), die so tough, modern und selbstbewusst daher kommt, lässt sich in ihrem eigentlichen Leben vom autoritären Gatten an die Leine nehmen. Sie ist bei ihm geblieben, auch wenn er sie schlägt. Und Bruno (Gonzalo Valenzuela), der sich sanft und verspielt gibt, hat seiner Freundin kurz zuvor knallhart den Laufpass gegeben, um ungestört seine Ausbildung im Ausland fortzusetzen. Und so ist irgendwann nichts mehr übrig von Rollenspielen und Posing, mit dem man sich mühevoll vor dem anderen als Geheimnis inszeniert, von all den künstlichen Verzögerungen und neckischen Provokationen, mit denen man für einen Fremden, eine Fremde begehrenswert sein möchte.

Irgendwann, so will es die Pädagogik des Drehbuch, sind sie wirklich nackt, bekennen sich kleinlaut zu Bulemie und zu traumatischen Familienstrukturen. Ein kaputtes Kondom bringt schließlich die biologische Bestimmung des Geschlechtsakt ins Spiel. Und der Gedanke, dieser Mensch, mit dem man die letzte Nacht verbracht hat, könnte der einzige auf dem Globus sein, mit dem man wirklich zusammen sein möchte, sorgt für eine Spur von Tragik und Verklärung.

Hatte der Regisseur Matías Bizet in seinem viel beachteten Debüt "Sábado - Die Hochzeitstapes" ein waghalsiges Experiment unternommen und eine mit einem Kamerateam bewaffenete Braut auf die Jagd nach ihrem untreuen Bräutigam und auf eine Tour de force durch den chilenischen Mittelstand geschickt, beschränkt sich "En la Cama" auf ein Kammerspiel und leidet förmlich unter dem selbstverordneten Bewegungsmangel. Denn trotz aller dramaturgischer Schlenker und plötzlichen Bekenntnisse bleibt die Entwicklung der beiden Protagonisten absehbar.

Man mag "En la cama", der als chilenischer Beitrag für den Oscar in der Kategorie "Bester nicht-englischsprachiger Film" ins Rennen geschickt wurde, als eine Allegorie auf ein Chile lesen, das sich aufgeklärt, modern und selbstbewusst präsentiert, im Innern aber noch an denselben Machismus, an derselben patriarchalen Gewalt zu leiden hat wie in den Generationen davor. Trotzdem wünscht man sich nach einer Weile, dass irgendjemand in diesen stickigen Beziehungsexzess hereinplatzt, die Fenster öffnet und die hochaufgeladenen Zweisamkeit mit dem Lärm und den Gerüchen der Stadt und dem Leben da draußen durchmischt.

"En la cama - Im Bett", Regie: Matías Bize, mit Blanca Lewin, Gonzalo Valenzuela, Chile 2005, 85 Min.

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