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Cheney: „Giftgasabzug nicht garantiert“

US-Kongreß sperrt Gelder für C-Waffen-Abzug aus der Pfalz, bis die Umweltverträglichkeit der Verbrennungsanlage auf dem Johnston-Atoll bewiesen ist / Cheney: Transportschiffe und Spezialcontainer noch nicht fertig / Mainz und Bonn beschwichtigen nach Kräften  ■  Von Joachim Weidemann

Mainz/Bonn (taz) - Der C-Waffen-Abzug der USA aus der Pfalz wird sich womöglich verzögern. Unterlagen der taz zufolge sperrt der US-Kongreß die Gelder für den Abzug solange, bis die Umweltverträglichkeit der C-Waffen-Verbrennungsanlage auf dem Johnston Atoll - kurz: Jacads - geprüft ist. US -Verteidigungsminister Cheney hat laut Bonner US-Botschaft von gestern die Aufhebung dieser Finanzsperre beantragt, weil sonst der Abzugstermin gefährdet sei. Über seinen Antrag habe der Kongreß aber noch nicht entschieden, teilte gestern ein Botschaftssprecher der taz mit.

Schon im November 1989 beklagten US-Kongreß und -Senat in einem Report „technische Probleme“ mit Jacads. Sie verlangten, die bereits eingestellte Forschung bezüglich der C-Waffen-Vernichtung „augenblicklich wieder aufzunehmen“. Die US-Abgeordneten bewilligten daraufhin für 1990 zwar 27,61 Millionen Dollar für „die Entfernung der US -Chemiewaffen aus Europa“ - sprich aus dem pfälzischen US -Giftgasdepot Clausen. Zugleich aber schrieben sie Vorbehalte fest: Erstens stellten sie nur zunächst maximal 10 Millionen Dollar für den Abzug bereit, und zwar solange, „bis der Verteidigungsminister bescheinigt, daß authentische chemische Munition in Jacads zerstört worden ist“ und bis gewährleistet ist, daß „auf Johnston Island angemessene und sichere Lagermöglichkeiten für die aus Europa entfernten Waffen existieren“. Bis zu dieser Garantie des Pentagons untersagten die Abgeordneten zweitens, „zusätzliche Munitionsdepots auf dem Johnston Atoll zu erbauen“. Und drittens: „Keine Munition darf von ihrem gegenwärtigen Lagerort entfernt werden.“ Die erforderlichen Garantien aber liegen noch immer nicht vor, wie gestern erstmals offiziell bestätigt wurde.

Der Grund, warum Cheney dennoch die Aufhebung des Etatlimits beantragt hat: Er will laut US-Botschaft „Umbauten an den Schiffen vorantreiben, die das Giftgas von Nordenham zum Johnston Atoll bringen“. Mit „Änderungen“ meint er auch die Fabrikation jener gepriesenen Spezialcontainer, die offenbar in Geldnot geraten ist. Sollte das Limit bestehen bleiben, so sieht Cheney den Abzug vom Scheitern bedroht. Cheney wörtlich: „Ob wir abziehen, ist nicht garantiert. Wenn die C-Waffen-Container und die Transportschiffe nicht fertig werden, so wird keinerlei Munition aus den gegenwärtigen Lagern in der Bundesrepublik entfernt.“ Der Sprecher der US-Botschaft sagte jedoch, er glaube, daß der US-Kongreß Cheneys Antrag „rechtzeitig zustimmen wird“.

Bislang planten die USA, die mehr als 100.000 Granaten mit rund 4.000 Tonnen Giftgas Sarin und VX von Juli an aus Clausen abzuziehen.

Die Spezialcontainer dafür sind jedoch keineswegs bereits fertiggestellt, sondern noch mitten in der Produktion. Alleiniger Hersteller ist laut Bonner Verteidigungsministerium das Mainzer Panzerwerk MIP, dessen Hauptauftraggeber das US-Pentagon ist. Gerade das MIP aber soll nach Informationen der 'Mainzer Allgemeinen Zeitung‘ von rigiden Etatkürzungen der USA betroffen sein, was auch die Container-Produktion betreffe. Von der MIP selbst war gestern dazu keine Stellungnahme zu erhalten.

Der Mainzer Innenminister Rudi Geil (CDU) wehrte sich indes gegen „Spekulationen um Verzögerungen beim Giftgasabzug“. Es bleibe „beim vorgesehenen Zeitpunkt“. Allerdings gab Geil erstmals zu, daß „die Verfahren der Umweltprüfungen im Zusammenhang mit dem C-Waffen-Abzug in der Tat noch im Gange sind“. Die Tests hätten „wegen der Geheimhaltung“ nicht früher abgeschlossen werden können. Laut Geil stehen „Anfang Juni“ neue Versuche auf dem Johnston-Atoll an. Sie beträfen die dortige „Lagerung, Öffnung und Verbrennung der Giftgasgranaten“. Die USA seien aber „von einem positiven Abschluß überzeugt“, so daß „der Zeitplan eingehalten“ werden könne. Auch die Produktion der Granaten-Container im MIP werde „so fortgesetzt, daß das Planungsdatum nicht in Frage gestellt wird“.

Auch das Bonner Verteidigungsministerium übte sich gestern in Zweckoptimismus. Pressesprecher Helmut Fischer sagte gegenüber der taz, er könne „nicht bestätigen, daß der Terminplan des Abzugs gefährdet ist“. Notfalls würde die Bundesregierung die Zwischenfinanzierung für die Containerproduktion übernehmen. Aber auch er bestätigte Probleme mit dem Johnston Atoll und dem US-Kongreß, „die schon seit längerem bestehen“. Die „Pilotanlage“ zur C -Waffen-Vernichtung auf dem Johnston-Atoll sei „ein Regionalproblem der Amerikaner“ und beweise die Schwierigkeiten bei der Vor-Ort-Verbrennung, die für die Bundesrepublik nicht in Frage komme.

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