Chefwechsel in der österreichischen ÖVP: Carte blanche für den Vorsitzenden
Außenminister Sebastian Kurz ist der neue Parteiobmann und mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet. Die Entscheidung war alternativlos.
Der ÖVP-Vorstand hat Sonntagabend Österreichs Außenminister Sebastian Kurz zum geschäftsführenden Parteiobmann gewählt. Kurz, der sich weitgehende Vollmachten in Personalfragen und für den künftigen Kurs der Partei zusichern ließ, wird der mächtigste Parteichef sein, den die Christlichsozialen je hatten. Zu den vorgezogenen Nationalratswahlen im Frühherbst wird er mit der „Liste Sebastian Kurz, die neue Volkspartei“ antreten.
Innenpolitische Kommentatoren sprachen von einer „Führerpartei“, von der Neigung der Konservativen, einem Messias nachzulaufen, und der Neugründung der ÖVP. Gleichzeitig sind sich Freunde wie Gegner der Konservativen weitgehend einig, dass die Entscheidung alternativlos war. Kurz hat sich als einzige Personalreserve in Stellung gebracht, die Aussicht hat, der ehemals staatstragenden Partei das Kanzleramt durch einen Wahlsieg zu erobern.
Der neue Parteichef hat sich die beste aller Welten gesichert: die Aura einer gewissen Überparteilichkeit und das Geld nebst Mobilisierungskraft der ÖVP. Die Bünde und die Landeshauptleute, die bisher jedem Parteiobmann das Leben schwer machten, haben sich selbst entmachtet, werden aber ihr Fußvolk für den neuen Hoffnungsträger in den Wahlkampf schicken. In der Provinz, wo Traditionen und Kirche noch hochgehalten werden, regieren vor allem ÖVP-Bürgermeister.
Frischen Wind sollen Persönlichkeiten bringen, die von außerhalb der ÖVP kommen. Immer wieder wird der Name Irmgard Griss genannt. Die pensionierte Höchstrichterin hatte bei den Präsidentschaftswahlen 2016 einen Achtungserfolg erzielt. Mit dem von der FPÖ kommenden ehemaligen Rechnungshofchef Josef Moser könnte ein Signal nach rechts ausgesandt werden. Auch bei den Liberalen wird gewildert. Neos-Chef Matthias Strolz hat sich beklagt, dass Kurz ihm seine Leute abzuwerben versuche.
Mit unpopulären innenpolitischen Entscheidungen will sich Kurz bis zu den Wahlen nicht die Finger schmutzig machen. Das Amt des Vizekanzlers wird wohl Justizminister Wolfgang Brandstetter übernehmen. Das Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium dürfte Staatssekretär Harald Mahrer erben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!