■ Vorlauf: Chef im Schal
„Rügen – (k)ein Wintermärchen“, 21.15 Uhr, WDR
Es gibt in der ARD zwei Sorten von Intendanten. Die einen sind eigentlich Juristen und haben daher besonders viel Spaß an ARD-Intrigen, interessieren sich aber nicht sonderlich fürs Programm. Die anderen sind stolz darauf, daß sie mal Journalisten waren, und nerven ihre Mitarbeiter mit fachlichen Anekdoten aus der Vergangenheit und dem Wunsch, immer mal wieder selbst eine Sendung moderieren zu dürfen. Schließlich ist ein Intendant zwar gefürchtet im Sender, geachtet bei der Fachjournaille und beliebtes Objekt der Politik, aber am normalen Zuschauer geht die Wichtigkeit seiner Existenz eher vorbei.
WDR-Chef Fritz Pleitgen müßte sich aber trotz alledem nicht sonntags noch den „Presseclub“ aufhalsen. Sein Gesicht ist dem öffentlich-rechtlich sozialisierten Fernsehgucker noch allzu bekannt aus Washington, Moskau oder dem einstigen Ost- Berlin. Und dem Mann ist anzusehen, daß ihm das ARD-Geschwurbel nicht ausreicht, um glücklich zu sein, und daß er ab und zu wieder an die Basis muß.
So ist Pleitgen denn auch vor einigen Monaten mit Mütze und Burberrys-Schal und einer fast kindlichen Neugier auf die Welt und den Journalismus durchs winterkalte Rügen gefahren, um zum Auftakt einer WDR-Reihe über den Osten zehn Jahre danach (Sie wissen schon) mal wieder einen Film zu drehen. Da fragt er interessiert (“Wie sind die Erträge denn jetzt so, im Verhältnis zur DDR?“), formuliert wieder etwas novizenhaft (“Im Norden stemmt sich Rügen wie ein Prellbock gegen die Ostsee.“) und zeigt uns auch sonst ganz munter und fein komponiert, wie alles so geht auf der Insel. Er guckt bei den Fischern von Gager vorbei, im NVA-Museum, in Prora, bei der Landrätin und bei allerhand LPGlern, FPGlern und FDGBlern, die er vor bereits 19 Jahren traf, als er für die ARD schon einmal einen Film über Rügen machte. Man sollte dem Mann sein Bedürfnis also gestatten. Wahrscheinlich ist in seinem Büro ja auch ohne ihn alles zum besten gelaufen. lm
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