Chef der libyschen Rebellen: Der Mann der Stunde
Mustafa Abdel Dschalil, Chef des oppositionellen Nationalen Übergangsrates, war Gaddafis Justizminister. Aber schon in dieser Rolle tat er nicht alles, was man von ihm verlangte.
BERLIN afp/taz | Vor einem halben Jahr war der Mann mit dem dünnen grauen Bart und der Halbglatze im Ausland kaum bekannt. Doch mit dem Aufstand gegen den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi wurde der Chef des oppositionellen Nationalen Übergangsrates, Mustafa Abdel Dschalil, zum Gesicht des Widerstands. In den vergangenen Tagen trat der 59-Jährige immer wieder vor die Presse, um die Erfolge der Rebellen zu verkünden. So war er es, der am Sonntag die Festnahme von Gaddafis Sohn Seif al-Islam bekanntgab und am Montag verkündete, die politische Vertretung der Rebellen werde bald nach Tripolis umsiedeln.
Dabei war der Jurist Dschalil drei Jahre lang, bis zum Beginn des Aufstands im Februar dieses Jahres, Gaddafis Justizminister. Doch schon als Minister tat er nicht alles, was der für die blutige Unterdrückung seiner Gegner bekannte Revolutionsführer von ihm verlangte. So zeigte Dschalil sich bereit, Gefangene aus dem berüchtigten Gefängnis Abu Salim freizulassen, das allerdings nicht seinem Ministerium, sondern dem Geheimdienst unterstand. Im Januar 2010 kündigte er öffentlich an, wegen der Zustände in Abu Salim als Minister zurückzutreten, blieb aber, auch auf Wunsch Gaddafis, im Amt.
Sie habe den Minister im Jahr 2009 gefragt, ob in der Anstalt tatsächlich 330 Häftlinge ohne jede rechtmäßige Grundlage einsäßen, erinnert sich Heba Morayef von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Dschalil habe das bestätigt. "Er hat uns beeindruckt, denn er war wirklich ein ehrenwerter Mann", sagt Morayef der Nachrichtenagentur AFP. Dschalil sei als Minister wahrscheinlich der "unabhängigste Geist der Regierung" gewesen, meint auch Malcolm Smart, Leiter der Nahost- und Nordafrikaabteilung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Als Gaddafis Truppen in der Rebellenhochburg Bengasi auf friedliche Demonstranten schossen, wechselte Dschalil endgültig die Seiten und war einer der Gründer des Nationalen Übergangsrats.
Einen ersten Erfolg verzeichnete Dschalil, als der französische Präsident Nicolas Sarkozy ihn am 10. März im Élysée-Palast empfing und den Übergangsrat als legitime Vertretung des libyschen Volkes anerkannte. Eine Woche später begannen die Luftangriffe auf Stellungen der Truppen Gaddafis, dessen Herrschaft nun vor dem Zusammenbruch steht. "Das Ende ist sehr nahe, mit Gottes Hilfe", sagte Dschalil am Samstag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Auflösung der Ampel-Regierung
Holpriger Versuch endgültig gescheitert
Ampelkoalition gescheitert
Endlich!
+++ Ampelkoalition zerbricht +++
Lindner findet sich spitze
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Antisemitismus-Resolution im Bundestag
Kritik an Antisemitismus-Resolution