Charta der Geflügelwirtschaft: Putenparadies Deutschland

Mit einer selbstverpflichtenden Charta wollen deutsche Züchter „das beste Geflügelland der Welt“ werden. Kritiker halten das Papier für ein Werbeprospekt.

Mann trägt in beiden Händen tote Hühner

Artgerechter Geflügeltransport. Foto: dpa

BERLIN dpa | Nach mehreren Tierhaltungsskandalen verpflichtet sich die deutsche Geflügelfleischwirtschaft auf branchenweite Vorschriften und Standards. Wer dagegen verstößt, muss mit Sanktionen bis hin zum Ausschluss rechnen. „Wir wollen das beste Geflügelland der Welt sein“, heißt es in der Geflügel-Charta, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Tierwohl und Tiergesundheit werden darin zur „zentralen Aufgabe“ erklärt. Die rund 8.000 im Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) zusammengeschlossenen Betriebe bekennen sich außerdem zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika, zu sozialen Standards und ehrlicher Verbraucherinformation.

Die Charta repräsentiert den Angaben zufolge rund 95 Prozent der deutschen Hähnchen- und Putenfleischerzeugung. Auch der bekannte Geflügelproduzent Wiesenhof, der wegen Hygienemängeln und Vorwürfen der Tierquälerei mehrfach in der Kritik stand, ist dabei.

Die Halter hätten klar signalisiert, dass schwarze Schafe in der Branche nichts zu suchen hätten, sagte ZDG-Geschäftsführer Thomas Janning der dpa. „Wenn wir in der nächsten halben Stunde losfahren und ohne Vorankündigung einen Betrieb besuchen, dann möchte ich das ohne Zweifel tun, dass da vielleicht etwas nicht in Ordnung ist.“

Schnabelkürzen bei Mastputen

Was die umstrittene Praxis des Schnabelkürzens bei Mastputen angeht, setzt die Geflügelwirtschaft auf eine freiwillige Vereinbarung mit dem Landwirtschaftsministerium. Demnach wird bis Ende 2017 eine „Machbarkeitsprüfung“ zumindest für Putenhennen angestrebt.

Tierschützer kritisieren auch immer wieder, dass die auf maximalen Ertrag gezüchteten Tiere anfällig für Krankheiten und Schäden am Bewegungsapparat seien. Dieser Punkt findet sich nicht explizit in der Charta. Die Züchter konzentrierten sich aber schon seit Jahren stark auf Tierwohl-Kriterien wie etwa Beinstabilität, sagte Janning.

In den vergangenen Jahren hatten immer wieder Aufnahmen von Aktivisten für Aufsehen gesorgt, die Tierquälerei in Geflügelhöfen belegen sollen. Ende 2014 gelangte etwa ein Video aus einem Entenmastbetrieb in Brandenburg an die Öffentlichkeit, das zeigt, wie Enten mit einer Mistgabel erschlagen und aufgespießt werden.

Imageschaden belastet Produzenten

„Solche Dinge sind absolut inakzeptabel“, sagte Janning. Der Imageschaden belaste auch alle anderen Produzenten. Nun komme es darauf an, die Umsetzung der Charta zügig voranzutreiben. „Was da steht, ist geduldiger Text. Wir müssen das jetzt auch leben.“

Im ZDG sind Hähnchen- und Putenhöfe, Zuchtunternehmen, Brütereien und Schlachtereien organisiert, außerdem Verarbeiter und Vermarkter. Der Spitzenverband vertritt auch Öko-Betriebe, bekennt sich aber in der Charta ausdrücklich dazu, dass Geflügelfleisch „für alle Bevölkerungsgruppen erschwinglich bleiben“ soll.

Derweil kritisiert die Verbraucherorganisation Foodwatch die „Geflügel-Charta“ als völlig unzureichend. Das Dokument sei mehr ein Werbeprospekt als eine Charta. „Es fehlen jegliche konkreten Zielsetzungen“, sagte Tierschutz-Expertin Luise Molling. „Wir warten darauf, dass die Branche endlich offenlegt, was es eigentlich für Probleme gibt.“

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