Charmantes Berlin: Die netten Parkwächter von Tempelhof
Sie büffeln Geschichte und sind angehalten, lieber mal ein Auge zuzudrücken, als gleich die Polizei zu holen: die Sicherheitsleute auf dem Tempelhofer Feld machen sie sich beliebt.
Grillen auf dem Tempelhofer Feld funktioniert wie ein Urlaub in einem All-inklusive-Hotel: frühmorgens den gewünschten Platz mit Decke oder Handtuch besetzen, in der Sonne braten und dann im Gedränge so viel wie möglich essen. Leere Bierflaschen und Plastikfolien mit Resten von Marinade stapeln sich, es steht Grill an Grill. Zuletzt war der Ansturm so gewaltig, dass ein zusätzlicher Grillplatz geschaffen werden musste. Gegrillt wird nun in drei Zonen: direkt am Eingang Oderstraße, am Columbiadamm und am Eingang Tempelhofer Damm.
Doch wer danach ein Bild der Zerstörung und verbrannte Erde erwartet, liegt falsch. Wenn die Besucher bei Einbruch der Dunkelheit zusammenpacken, entsorgen sie selbstverständlich ihren Müll und schütten die Kohlen in dafür vorgesehene eiserne Tonnen.
Kurz bevor der Park schließt, patrouillieren schwarz gekleidete Sicherheitsleute. Mit ungewöhnlich freundlichem Ton machen sie darauf aufmerksam, dass jetzt eigentlich geschlossen werden soll. Eine letzte Runde Würstchen und ein letztes Bier seien natürlich noch drin. Rebellion ist bei dieser geballten Freundlichkeit zwecklos, langsam trollen sich die letzten Besucher. Nur einige Flaschensammler bleiben und füllen ihre Taschen.
Am nächsten Morgen wirkt das Feld wie ein frisch gefegter Küchenboden. Müllberge, Brandlöcher und Glasscherben sind nicht zu sehen, dafür die ersten Großfamilien, die kleine Zeltstädte errichten und den Grill anfachen. Dazwischen kicken Jugendliche barfüßig einen Fußball.
Auf dem Tempelhofer Feld funktioniert, was in Berlin lange unmöglich schien. Der Grund: Das Management des Tempelhofer Felds beschäftigt ein privates Sicherheitsunternehmen. Die Entscheidung ist umstritten, anfänglich war das Verhältnis zwischen Besuchern und Bewachern der Tempelhofer Freiheit rau. Doch in diesem Sommer mehren sich Stimmen, die von Berlins freundlichsten Securitys sprechen.
Das liegt auch an Alexander Scheufler. Er war als Sicherheitsmann von Anfang an dabei. Weil er selbst seit Jahren gegenüber wohnt, kennt er die Sorgen der Anwohner und Parkbesucher. Im Februar dieses Jahres übernahm er für die Firma Dussmann die Leitung der Parkaufsicht und änderte das Konzept radikal. "Ich konnte meinen Weg gehen", sagt er heute. Seine Männer sieht er als "kleine Streetworker", die dafür sorgen, dass die Berliner ihren ehemaligen Flughafen genießen können.
Zum neuen Konzept gehören regelmäßige Schulungen beim Parkbetreiber Grün Berlin. Die Männer pauken Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Flughafens. "Es ist wichtig, dass wir die Fragen der Besucher beantworten können", sagt Scheufler. KZ, Vergnügungspark, Flughafen und Parkanlage, das Areal hat eine beeindruckende Wandlung hinter sich. Täglich verteilen die Männer kistenweise Infobroschüren. Sechs Mann und ein Schichtführer bewachen das Feld Tag und Nacht. Wenn sich am Wochenende die Grillplätze füllen, sind neun Mann im Einsatz. Sie schlendern zu Fuß über die Wiese, plaudern am Grill oder drehen eine Runde auf ihrem Dienst-Mountainbike.
Einfach mal zum Reden vorbeikommen und im Zweifelsfall beide Augen zudrücken, so lässt sich Scheuflers Strategie zusammenfassen. "Man muss ja nicht immer gleich mit der Dampfwalze kommen", sagt er und meint, dass er lieber ein eintägiges Parkverbot ausspricht, als die Polizei zu rufen, wenn er unternehmungslustige Pärchen im rußigen Übungswrack der Flughafenfeuerwehr erwischt. Oft drücke er gleich beide Augen zu. Dass es trotz der Bewachung einem Rechtsextremen gelang, sämtliche Poller auf dem Gelände mit seiner Hetze zu beschmieren, nimmt Scheufler persönlich.
Das Büro der Parkaufsicht liegt in einer alten Baracke. Vor den Fenstern hängen verbogene Jalousien. Den grauen Gang mit dem quietschenden Linoleum haben die Sicherheitsleute mit bunten Tafeln verschönert. Sie zeigen, was in den Jahren bis zur IGA 2017 passieren soll. "Aufregend" findet Scheufler die Pläne. Dann zeigen die Männer ihren ganzen Stolz: An der Wand im Pausenraum haben sie Briefe und E-Mails von dankbaren Besuchern aufgehängt. "Vielen Dank an den netten Security, der mich auf dem Grillplatz verarztet hat", steht auf einem. Alle Sicherheitsleute haben einen Sanitäterschein.
Hundehalter, grillende Großfamilien und brütende Singvögel, alle sollen ein Stück Tempelhof bekommen, so wünscht es sich Scheufler. Selbst bringt der Mann mit den massigen, tätowierten Oberarmen auf dem Feld seinem Sohn an freien Tagen das Fahrradfahren bei. Neidvoll blickt er durchs Bürofenster, bald will er sich einen Lenkdrachen kaufen.
Auf seiner Runde rollt er in Schrittgeschwindigkeit an der Baustelle des Minigolf-Projekts vorbei. Der Segway-Verleih, zwei Kilometer weiter, ist schon in Betrieb. Ein gutes Projekt findet der Sicherheitschef, schließlich sei das Areal für Touristen zu Fuß kaum zu erfassen. Heimliche kommerzielle Nutzung macht den 1,85-Mann dagegen wütend: "Das gehört hier einfach nicht hin, schließlich kommen die Leute, um Spaß zu haben." In solchen Fällen werde er schon mal unfreundlich und drohe mit einer saftigen Geldstrafe.
Scheufler wünscht sich, dass nicht zu viele Investoren kommen und das Feld zerstören. "Der Flughafen soll nicht ausgeschlachtet werden." Die Luxuswohnungen und Forschungszentren, die rund um das Feld entstehen, will er in seine Kritik nicht einschließen, die Investitionen seien richtig und letztlich bleibe eine große Parkfläche erhalten. Und doch klingt immer wieder durch, dass sich der Park-Anwohner Scheufler Sorgen um seinen Kiez macht. Wo seine Großmutter in Tempelhof noch immer eine faire Miete bezahle, müssten neue Mieter das Dreifache investieren.
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