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■ DaumenkinoChaplin

Richard Attenborough verfilmt gern die Biographien von Männern, die noch bedeutender sind als er: nach Gandhi (1980) und Cry Freedom (1985) nun also Charlie Chaplin. Sein wohl vermessenstes Projekt, denn hier hat er sich ein Ziel gesucht, dessen Bild in die Kindheitserinnerungen von Milliarden Menschen gesenkt ist. Man muß den Film im Grunde gar nicht gesehen haben, um zu wissen, daß das nicht funktionieren kann. Schon die Idee ist einfach krachend dumm. Robert Downey, der Chaplin-Darsteller, mag da noch so zappeln, watscheln und grimassieren, und Attenborough mag ihn mit tonnenweise Make-up auf physiognomische Ähnlichkeit trimmen lassen, so daß er zuletzt aussieht wie das bedauernswerte Opfer einer Chemotherapie — natürlich scheitert er dennoch. Eine Mark möchte man ihm in die Melone schmeißen, nicht als Honorar für seine Anstrengung, sondern als Trost, weil wieder mal keiner gelacht hat, und damit er endlich aufhört mit seinen verzweifelten Faxen. Überzeugender als die zahllosen Chaplin-Imitatoren in deutschen Fußgängerzonen ist er nicht.

Als Film gehört Attenboroughs Chaplin in die Kategorie jener Sammelbildchen, die man einst in Schokoladenzigarettenschachteln fand. Hintereinandergelegt ergeben sie eine spannungslose Reihung von Klischees, miserabilistisch die Kindheit, weich gepolstert die späten Jahre. Obwohl der Film quälend lange dauert, ist er am Schluß – der Verleihung des Oscars fürs Lebenswerk – allzu früh mit der Versöhnung bei der Hand. Denn was da versöhnt wird, durfte zuvor gar nicht recht in Konflikt treten. Selbstverständlich sind weder Chaplins Vorliebe für kleine Mädchen noch die Tücken des McCarthyismus, dem er geopfert wurde, geeigneter Stoff für einen Familienfilm. So wird von vornherein weichgezeichnet.

Allein zwei Schauspielerinnen setzen einsame Glanzlichter in Attenboroughs wäßriger Suppe. Moira Kelly spielt Chaplins erste und letzte Liebe. Sie hat so viel Charme, daß man ihr mal einen eigenen Film wünschen würde – aber wer schreibt in Zeiten, wo höchstens Bodybuildern diese Ehre noch zuteil wird, Filme für Schauspieler mit Charme? Die andere Schauspielerin ist Geraldine Chaplin. Sie spielt die Mutter ihres Vaters, die verrückte Hannah, mit solcher Intensität, daß man glauben möchte, es ginge hier um eine wahre Geschichte. Bei diesem Film ist das allerdings eine abwegige Vorstellung. Thierry Chervel

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