Chaos in Nigeria: Neuer Präsident in Aussicht
Beim "Probelauf" für die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr gab es diesmal keine Opfer. Ein Fortschritt sagen viele. Bleibt noch das Problem "Präsident", denn der tritt nicht ab.
NAIROBI taz | Es war die erste bedeutende Wahl in Nigeria seit Jahren - und zum Schluss feierte die Wahlkommission sich selbst als Sieger des inoffiziellen "Probelaufs" für die Parlaments- und Präsidentenwahlen im kommenden Jahr. "Wenn wir die Wahlen in Anambra als Messlatte nehmen, dann sind wir aus dem Gröbsten raus", lobte Vizepräsident Goodluck Jonathan die Wahlkommission. Grund für die Begeisterung ganz oben: Bei der Wahl in Anambra, einem Bundesstaat im Niger-Delta, der als besonders anarchisch und korrupt gilt, gab es diesmal keine Toten.
Sonst allerdings wurde nichts ausgelassen: Bewaffnete Jugendbanden vertrieben Anhänger der jeweils gegnerischen Seite oder stahlen Wahlurnen. Wer sich bis zur Wahlkabine durchschlug, konnte oft dennoch nicht wählen. Auf den Wahllisten, so berichten Beobachter, hätten anstelle der Wahlberechtigten Namen wie Nelson Mandela oder Donald Duck gestanden. Selbst Gouverneur Peter Obi, der die Wahl am Ende für sich entschied, weigerte sich zunächst, seine Stimme abzugeben. Seine gesamte Familie war nirgends auf den Listen zu finden.
Zum Schluss hatten nur knapp 300.000 der 1,8 Millionen Wahlberechtigten gewählt. Doch als Erfolg gilt bereits, dass die als hochgradig korrupt geltende Wahlkommission nicht den Kandidaten der auf Bundesebene regierenden Partei PDP, Chukwuma Soludo, zum Sieger kürte - er wurde Dritter. Vielen Nigerianern gilt alleine das als Zeichen dafür, dass ihre Stimme im kommenden Jahr zählen könnte.
Im Polittheater, das Nigeria seit achtzig Tagen erduldet, gilt das bereits als Hoffnungsschimmer. Doch womöglich hat das politische Vakuum, in dem Nigeria sich befindet, jetzt ein Ende. Nigerianische Zeitungen berichten unter Berufung auf Insiderkreise, dass Vizepräsident Jonathan am Dienstagnachmittag als geschäftsführender Präsident vereidigt werden soll. Demnach wollen die Gouverneure der 36 Bundesstaaten sich über die bisher geltende Verfassungsinterpretation hinwegsetzen, nach der dafür ein Brief des kranken Präsidenten Umaru YarAdua erforderlich ist. YarAdua wird seit Ende November in Saudi-Arabien ärztlich behandelt.
Konkrete Anhaltspunkte für das Vorhaben gab es am Montag aber nicht. Entsprechend skeptisch äußerten sich politische Lobbygruppen in der Hauptstadt Abuja. "Selbst wenn es Gouverneure gibt, die zu diesem einmaligen Schritt bereit wären, hätten sie erheblichen Gegenwind", gibt auch ein westlicher Diplomat in Abuja zu bedenken.
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