Chaos bei Rechtsextremen: Fahnenflucht bei der NPD
Viele wichtige Mitglieder der Berliner NPD sind ausgetreten, der Verband ist heillos zerstritten. Jetzt platzt auch noch der geplante Parteitag am Sonnabend in Lankwitz.
In einem Lankwitzer Seniorenheim wollte sich die NPD am Sonnabend zu ihrem Parteitag versammeln, ihre Kandidaten für die Bundestagswahl benennen und über die Krise des Landesverbands brüten. Daraus wird nichts: Wie der verantwortliche Bezirksstadtrat von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Schmidt, der taz sagte, habe die NPD den Mietvertrag für die Seniorenstätte nicht akzeptiert. Konkret ging es um eine Klausel, die verfassungsfeindliche, rassistische und antisemitische Äußerungen auf dem Parteitag untersagt. "Diese Konditionen sind für uns aber nicht verhandelbar", so Schmidt. Nach dem Rückzieher der NPD habe unverzüglich die Kreis-CDU die Räume für eine Klausurtagung gemietet. Im Bezirk wurde über den Coup jubiliert: Es sei mit einem "unappetitlichen Vertrag" gelungen zu verhindern, dass die NPD Lankwitz zu ihrem "Vereinslokal" mache. Bereits zweimal hatte sie sich dort zu Parteiveranstaltungen getroffen. Von der NPD hieß es nur lapidar, man habe "einen Plan B in der Hinterhand". KO
Gruppenaustritte, Gerichtsprozesse, "Porno-Affäre" - statt stramm geordnet präsentiert sich der Landesverband der NPD chaotisch. Nun verbocken die rechtsextremen Kameraden offenbar auch ihren für Samstag geplanten Landesparteitag: Wegen einer Klausel, die verfassungsfeindliche Äußerungen auf der Veranstaltung untersagt, schlug die NPD einen Mietvertrag in Lankwitz aus (siehe Kasten).
"Der Landesverband befindet sich in einem Prozess der Selbstzersetzung", resümiert Isabelle Kalbitzer, Sprecherin des Berliner Verfassungsschutzes. Die NPD habe zuletzt eine Vielzahl an Mitgliedern verloren, sie sei intern zerstritten. Höhepunkt der Querelen war die "Porno-Affäre". Anfang Februar wurde die damaligen Kreisvorsitzende der NPD Marzahn-Hellersdorf, Gesine Hennrich, mit Prostitutionsvorwürfen und freizügigen Bildern im Internet konfrontiert und aus der Partei geschmissen. Doch mit der Kreisvorsitzenden verließ - qua Austritt - fast der komplette NPD-Kreisverband, der sich mit der Exchefin solidarisiert hatte, die rechtsextreme Truppe.
Auch bei der NPD in Tempelhof-Schöneberg hat es zahlreiche Austritte gegeben, gesteht Landeschef Jörg Hähnel ein. Grund hier: Der Kreisvorsitzende Hans-Joachim Henry verließ im Februar die Partei mit mehreren seiner Anhänger. Henry, bis dahin auch Landesvizechef, galt als Hähnels Widersacher im Landesverband. "Dass ausgerechnet die beiden mitgliederstärksten Kreisverbände gegen die Wand gefahren wurden, ist für die NPD desaströs", urteilt Ulli Jentsch vom antifaschistischen Pressearchiv (apabiz).
Als Grund für den Exodus wird auch immer wieder Hähnel selbst genannt. Laut Verfassungsschutzsprecherin Isabelle Kalbitzer wurde dem 33-Jährigen intern wiederholt "Unzuverlässigkeit, mangelndes Engagement und fehlende Konfliktfähigkeit" vorgeworfen. Zudem entspricht der NPD-Chef, der auch als Liedermacher mit nationalistischen Texten bekannt ist, wenig dem brav-bürgerlichen Image, das sich die Partei seit einiger Zeit verordnet hat.
Denn immer wieder muss sich Hähnel vor Gericht verantworten. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu einer Zahlung von 4.500 Euro. Er hatte in der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung (BVV) die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1919 gerechtfertigt. Zudem droht Hähnel der Verlust seines BVV-Mandats, weil er entgegen dem Wahlgesetz seinen Wohnsitz außerhalb Berlins besitzen soll.
Auch dass es Rücktrittsforderungen gegen ihn gegeben habe, bestätigt Hähnel der taz. Diesen werde er aber nicht nachkommen, so der NPD-Chef. "Was wir jetzt brauchen, ist Ruhe." Ein frommer Wunsch: Denn die NPD-Querelen auf Bundesebene schlagen auf den Landesverband durch. Auch hier stehen sich im Gerangel um den künftigen Bundesvorsitzenden Unterstützer und Gegner des amtierenden Chefs Udo Voigt gegenüber. Und aufgrund von finanziellen Unregelmäßigkeiten der Bundespartei fließen auch keine Gelder aus der staatlichen Parteienfinanzierung. "Das bedeutet vor allem Einschränkungen für ihre publizistischen Projekte", so Ulli Jentsch vom apabiz.
Schließlich versagte die NPD zuletzt sogar bei ihren öffentlichen Auftritten: Sowohl bei Infoständen als auch zu einer Mahnwache gegen den Gazakrieg fanden sich nur spärlich Mitglieder ein. In den vier Bezirksparlamenten, in denen die NPD sitzt, tauchten ihre Abgeordneten zuletzt vielfach ab. Es fehle der Partei an fähigem Personal, notierte der Verfassungsschutz schon in seinem Jahresbericht von 2007.
"Eine derartige Krise hat es in der Berliner NPD seit Jahren nicht gegeben", bestätigt Ulli Jentsch vom apabiz. "Der Landesverband zerbröckelt an allen Ecken und Enden. Ein erfolgreicher Parteitag in Lankwitz wäre geradezu vital gewesen." Stattdessen hat die NPD nun noch ein Problem mehr: Sie muss zügigst einen neuen Raum finden. Eine Aufgabe, an der sie in den letzten Jahren mehrfach scheiterte.
Für Schadenfreude sei es aber noch zu früh, so die Linkspartei-Abgeordnete Evrim Baba. "Natürlich ist es hilfreich, dass sich die Partei selbst zerlegt. Trotzdem müssen wir weiter alles unternehmen, dass sie zukünftig in keine Parlamente mehr kommt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!