: Chance für einen lachenden Dritten?
Hauptstadtstreit überschattet Wahlkampf in Sachsen-Anhalt/ Halle gegen Magdeburg — Dessau könnte lachender Dritter sein/ Parteipolitik im Spiel beim Streit um Landeshauptstadt ■ Von Wolfgang Radeiski
Der monatelange Streit um die Landeshauptstadt des künftigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt hält die Politiker zwischen Salzwedel und Zeitz, Harz und Fläming weiter in Atem.
Obwohl sich die Abgeordneten aller Kommunen in einer geheimen Vorabstimmung mit 1.298 zu 882 Stimmen für Magdeburg und damit gegen Halle entschieden, wird weiter darüber diskutiert. Ins Spiel kommt jetzt wieder Dessau — die dritte Großstadt in Sachsen-Anhalt.
Als Besonderheit gilt, daß alle drei an großen mitteldeutschen Flüssen liegende Städte die gegenwärtig führenden Parteien repräsentieren: In der Elbestadt Magdeburg stellt die SPD, in der Saalestadt Halle die CDU und in der Muldestadt Dessau die FDP den Oberbürgermeister.
„Die Frage ist viel zu ernst, um diese Entscheidung einem Parteienzwist zu überlassen“, meinte der Regierungsbevollmächtigte für den Bezirk Halle, Klaus Keitel (CDU).
Sein Kollege aus dem Bezirk Magdeburg, Wolfgang Braun (CDU), erklärte: „Während andere schon Personen und Strukturen für die künftige Landespolitik abstecken, lähmen wir uns mit diesem Streit um die Landeshauptstadt.“ So wird erst der am 14. Oktober zu wählende Landtag diese Frage endgültig entscheiden.
Ob die dann 98 gewählten Volksvertreter ihr Votum wiederum für Magdeburg abgeben, ist völlig offen. Verwaltungsexperten, die ohnehin die DDR-Länder für zu klein und wirtschaftlich zu schwach halten, plädieren sowieso für eine Länderreform nach der deutschen Einheit. Dann würde sich diese Frage möglicherweise von selbst lösen, denn Magdeburg und Dessau tendieren zu einem starken Nordstaat mit Brandenburg und Niedersachsen.
Halle würde mit Leipzig eine starke wirtschaftliche Region für einen Südstaat Sachsen bilden. Mit dieser letzten Möglichkeit „droht“ der Oberbürgermeister Peter Ringer bereits im Wahlkampf. Sein Hauptargument: Halle habe bereits in der Vergangenheit die meisten Lasten zu tragen gehabt. Von 17 Prozent produziertem Bruttosozialeinkommen, dem größten unter allen früheren 15 DDR-Bezirken, flossen nur sehr wenig Mittel in die nun umweltgeschädigte Region zurück. Deshalb wird befürchtet, daß das Thema auch im Wahlkampf zwischen den Parteien umstritten bleiben wird. Zur Befriedung schlugen jetzt die SPD sowie die Grünen einen Volksentscheid in dieser Frage vor. ap
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