Champions League: Nur Glanz bringt Gloria
Wenn in der Champions League Inter Mailand auf Manchester United trifft und AS Rom auf Arsenal London, geht es auch darum, welche Fußballnation die überlegene ist.
Italien fiebert den England-Spielen in der Champions League entgegen. Lange ging es José Mourinho nicht so gut wie in diesen Tagen. Die meist elegisch getrübten Augen blitzen, der Zweitagebart verleiht ihm ein verwegenes Aussehen. Wie elektrisch geladen tigert er über das Trainingsgelände von Appiano Gentile. Er gibt hier einen freundlichen Klaps auf den Rücken des Kolumbianers Nelson Rivas, den er wohl gegen Manchester in die Innenverteidigung stellen wird, man sieht ihn dort im Gespräch mit dem erst 19 Jahre jungen, aber schon sensationell starken Außenverteidiger Davide Santon.
Selbst seinen Problemzögling Mario Balotelli bedenkt der portugiesische Coach mit freundlicher Zuwendung. Mourinho schwebt auf Wolke 7. Der von der italienischen Presse zusehends häufiger geschmähte Trainer von Inter Mailand freut sich auf das Heimkommen in die Premier League. Er hat bereits angedeutet, dass es ihm nach dem Engagement in der stark von Taktik geprägten Serie A wieder in die englische Spektakelliga zurückzieht. "Mach schnell, ich habe es nicht mehr so lange bis zur Rente, hatte ihn sein alter Rivale, der ManU-Coach Alex Ferguson, zur Eile aufgefordert. Doch seinen Vertrag bei Inter will der übers Jahr gesehen bestbezahlte Fußballtrainer Europas noch erfüllen. Mourinhos Heimkehr zum englischen Fußball ist daher vorerst auf zwei Spiele begrenzt, auf das Achtelfinalduell in der Champions League gegen Manchester United. Für die Italiener stellt dies das Duell der Superteams dar. So souverän wie ManU die englische Liga anführt (sieben Punkte Vorsprung auf den Zweiten), so dominant ist Inter in der italienischen (neun Zähler). Mit den Partien AS Rom gegen Arsenal und Juventus gegen Chelsea ist die englisch-italienische Schlacht um die Vorherrschaft in Fußball-Europa perfekt. Auf dem Stiefel jedenfalls wird das so gesehen. Im Land des amtierenden Weltmeisters fiebert man der Gelegenheit entgegen, im direkten Aufeinandertreffen zu beweisen, dass der in Italien praktizierte Fußball schöner, erfolgreicher und hochklassiger ist als jeder andere. Gern vergisst man dabei die Defizite der Serie A: alte Stadien, gewalttätige Fans.
Salz auf die Wunden hatte ausgerechnet Mourinho gestreut, der zu Beginn seiner Tätigkeit in Mailand den italienischen Fußball hinter dem englischen und spanischen platziert hatte. Freilich hatte er sich damals mit seiner neuen Umgebung solidarisch gezeigt und versprochen, das Seine zu tun, damit der Calcio italiano wieder auf der Position der ersten Geige fiedelt. In Mailand ist ihm dies aber nicht geglückt. Inter spielt weiterhin ähnlich grobschlächtig wie zu Zeiten des geschmähten Mancini: Weite Schläge auf die robuste, leicht versetzt positionierte Doppelspitze um Ibrahimovic und Adriano sind das simple Rezept.
In Italien hat der einst wie ein Wunderheiler empfangene Mourinho damit Kredit verspielt. Er ist allerdings auch wegen des Erfolgs in der Liga wenig gelitten. Im Fußball identifiziert sich der gemeine Italiener lieber mit den unvollendet Schönen oder dem beharrlich Bodenständigen, einem Verein, der den anderen nicht aus dem Rampenlicht schubst. Roma-Trainer Luciano Spalletti und Juve-Coach Claudio Ranieri können daher auf mehr Zustimmung bei den Fans zählen. Dass bei ihnen der Lack auch bereits kräftig angekratzt ist, fällt im Vergleich zu Mourinho nicht so ins Gewicht. Bei dem Portugiesen war die Differenz zwischen Erwartung und schnöder Realität wesentlich größer als bei seinen Kollegen. Spalletti ist mit seiner Offensivformel überraschend aus dem Nichts aufgetaucht. Dass der Roma-Motor jetzt stottert, weil die Spieler nicht mehr so hungrig und damit so bewegungsfreudig sind wie noch vor ein, zwei Jahren, wird verziehen. Und dem Exverteidiger Ranieri wird immer nur dann vorgehalten, lediglich auf Kampfkraft zu setzen, wenn er den unantastbaren Del Piero mal wieder auf die Bank setzt.
Ansehnlich ist der Fußball der drei Champions-League-Vertreter der Serie A eher nicht. Umso wichtiger ist für die Beteiligten, dass er wenigstens siegreich ist. Denn Gloria bringt auch Glanz. Mit diesem Rezept haben die Azzurri aus dem Skandaljahr 2006 das WM-Jahr 2006 gemacht. Hart arbeiten für die Selbsttäuschung heißt es heute und morgen.
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