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Champions-League ViertelfinaleSüßer die Bayern nie spielten

Nach dem 2:1-Sieg gegen Manchester United wähnt sich Bayern München "auf Augenhöhe" mit Europas Elite, will aber ganz schnell nur noch an Schalke denken.

Gib mir doch die Gelbe Karte, Schiri: Ivica Olic nach dem Treffer zum 2:1. Bild: dpa

Hat sich je ein Spieler so über eine gelbe Karte gefreut? Die Datenbanken schweigen: schwer messbar so etwas. Ivica Olic strahlte jedenfalls übers ganze Gesicht, als ihm Schiedsrichter Frank De Bleeckere in der Nachspielzeit den gelben Karton unter die Nase hielt, ging auf den Unparteiischen zu, schüttelte ihm freundlich die Hand und machte sich allmählich daran, sein im Jubelrausch ausgezogenes Trikot wieder anzuziehen. Sekunden später pfiff De Bleeckere ab, und Olic gelang es, sich den Spielball zu sichern. Er wird einen Ehrenplatz im Grünwalder Heim des Kroaten bekommen. "Ich hatte gedacht, dass das Tor bei Juventus Turin mein schönstes war, aber jetzt ist es das hier", sagte der ewige Wuseler über seinen Last-Second-Treffer. Dieser hält den FC Bayern im internationalen Geschäft: Nach dem 2:1 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Manchester United sieht der deutsche Rekordmeister durchaus Chancen auf das Halbfinale. Dort stand Bayern zuletzt 2001. Und: In 22 von 23 Fällen kam der FCB nach einem Hinspiel-Heimsieg im Rückspiel weiter.

Ein denkwürdiger Abend in der Münchner Arena, nicht nur wegen des ManU-Déjà-vus mit umgekehrten Vorzeichen. Selten bis nie hat man hier einen FC Bayern mit so viel Herz gesehen. Eine Story wie aus dem Ring: Der angeschlagene Boxer wird vom haushohen Favoriten schon in der ersten Runde auf die Bretter geschickt, rappelt sich benommen wieder auf, beginnt zurückzufighten - und versetzt dem überheblichen Gegner mit dem Schlussgong den heftig bejubelten K.-o.-Schlag. Kein Wunder, dass die Bayern-Bosse voll des Lobes für ihre Mannen waren. "Ich bin sehr stolz auf meine Spieler, dass sie wieder ins Spiel gekommen sind", sagte Bayern-Trainer Louis van Gaal, "ich bin nicht zufrieden mit der ersten Minute. Das war ein Schock. Da muss man wieder in die Mentalität kommen." Neben dem bedröppelten ManU-Coach Alex Ferguson ("Wir waren einfach nicht gut genug. So einfach ist das.") war van Gaal allerbester Laune: "Eigentlich wollte ich ein 0:0 haben, 2:1 war nicht in meiner Berechnung. Dieser Sieg ist sehr süß." Kurz lauschte er seinem Satz hinterher und schob nach: "Süß ist ein sehr gutes Wort."

Auch Sportdirektor Christian Nerlinger geriet fast ins Schwärmen, wähnte sich in einer "Festnacht" und "auf Augenhöhe mit Manchester", vor allem aber "in einer positiven Grundstimmung Richtung Schalke". Damit lag er ganz auf der Linie von Karl-Heinz Rummenigge, der mehr vom nächsten Bundesligagegner sprach als vom Sieg gegen das große Manchester United: "Ich denke heute schon an Samstag. Bei uns in der Kabine gibt es keine Euphorie, da liegt der Fokus schon auf Schalke." Passend dazu eröffneten die Bayern gestern den Psychokrieg vor dem Spitzenspiel und forderten die DFL auf sicherzustellen, dass die Spielfläche in der Schalker Arena sich nicht wieder als Acker präsentiert wie im Pokalspiel vergangene Woche. Der dortige Rasen, so die Münchner, sei nicht in dem in §6, Nr. 6 der Lizenzierungsordnung geforderten "guten Zustand".

Vor entscheidenden Tagen steht auch Manchester United: Am Wochenende geht es gegen Chelsea um die Ligaspitze, bevor am Mittwoch die Bayern zum Rückspiel kommen. In beiden Spielen wird Wayne Rooney wohl fehlen: Der Schütze des 1:0 und der Abfälscher des Ribéry-Freistoßes zum 1:1 war in der Nachspielzeit umgeknickt, hatte sich vor Schmerzen am Boden gekrümmt und musste das Stadion später auf Krücken verlassen. Nicht nur deshalb ist Van Gaal vor diesem Rückspiel alles andere als bange: "Wir haben auswärts in der Champions League immer ein Tor gemacht. Das gibt viel Vertrauen."

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5 Kommentare

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  • T
    Toni

    @Marek

     

    Ich finde den Artikel gut.

     

    Sportliche Grüsse

    Toni, langjähriger Bayernligaspieler

  • D
    Dirk

    Olic ist Fussball - Einsatz, Kampf und Siegeswillen, gepaart mit hervorragender Technik. Ein Dauerläufer der Lobeshymnen verdient. Er gibt keinen Ball verloren. Ein Vorbild für jeden Jugendfussballer. Der "Duracell-Hase" läuft weiter, und läuft, und läuft...

  • T
    Thomas

    Dass ich das als langjähriger Abonnent nochmal erleben darf?!!! Die taz - das publizistische Bollwerk des Anti-Bayern-Fußballjournalismus - schreibt einen positiven Artikel über den FCB....Erstaunlich...schöne Grüsse nach Berlin, Thomas

  • M
    Marek

    Ich wär glücklich, wenn der Autor mal eine kleine Tasse Fußballverstand tanken und seine Artikel, von denen ich nun in den letzten Tagen einige in den Online-Ausgaben verschiedener Zeitungen lesen musste, mit entsprechendem Wissen spicken würde. Stattdessen wird das Spiel, hier auch ruhig mal in seiner generellen Form, zum Society-Spektakel a lá Kerner hochgejubelt. Und dass, nachdem der Autor selber in einem anderen Artikel speziell dem FCB vorgestern noch bestenfalls Rentenansprüche auf dessen erfolgreiche Vergangenheit als Club zuerkennen vermochte. Da macht das Lesen der Artikel wirklich keinen Spaß mehr.

    Ich verlange ja keine besonders anspruchsvollen, fußballtheoretischen Betrachtungen in einer Tageszeitung, aber etwas mehr als nur mädchenhaftes Gekreische, weil der Olic sich sein Hemd ausgezogen hat und tolle Boxeranalogien (die Mär vom angeschlagenen Boxer hat Herr Becker übrigens selber vor dem Spiel herangeschrieben - was viele Fachleute sicherlich verwundern würde) darf man doch wohl schon erwarten, hier bei der taz, oder nicht? Besonders glaubwürdig ist es auch nicht, wenn man sich seine Meinung aus den Sport-Beiträgen der gängigen Boulevard-Blättern abschreibt, und nachdem das Spiel anders als von den Apologeten steten deutschen Fußball-Unvermögens herbeigesehnt, mit einem Sieg endete, dann plötzlich das Fähnlein umschwenkt und so tut, als gäbe es nichts größeres, als den Bayern beim Jubeln zu helfen. Da schlag ich dann mal lieber gleich das Springer-Front-Blatt auf, wenn ich so etwas lesen will.

    Mit sportlichem Gruß

    Marek

  • J
    Jan

    Olic ist schon der Obersymphat schlechthin, sogar die ärgsten Bayernhasser in der Kneipe mussten grinzen als er dem Schiri für die Gelbe die Hand gedrückt hat.