Cayman Islands: Götterdämmerung im Steuerparadies
Bankrott sind sie nicht, aber nah dran: Im Staatshaushalt der zu Großbritannien gehörenden Cayman Islands klafft ein Riesenloch. Eine revolutionäre Idee könnte helfen: Steuern.
BERLIN taz | Steuerparadiese sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Palmen und karibische Sonne werden den Cayman-Inseln zwar erhalten bleiben, doch andere Annehmlichkeiten dürften schwinden. So hat das britische Außenministerium der Inselregierung gerade geraten, doch einmal eine einfache Idee umzusetzen - direkte Steuern zu erheben.
"Ich fürchte, Sie haben keine andere Wahl, als neue Steuern in Betracht zu ziehen - vielleicht Abgaben auf Einkommen oder Vermögen", zitierte die britische Zeitung Guardian aus dem Brief eines Mitarbeiters des britischen Außenministeriums an die Inselregierung.
Dieser Rat dürfte reichen Prominenten wie Golfspieler Tiger Woods oder Microsoft-Gründer Paul Allen, deren Yachten in Caymans Häfens liegen, nicht gefallen. Hat sich die autonome, aber unter britischer Oberhoheit stehende Insel 350 Kilometer südlich von Kuba doch einen Ruf als Steueroase erworben. Direkte Steuern werden nicht erhoben und Auskünfte über das Kapital von Anwohnern nur sehr zurückhaltend erteilt.
Bislang funktionierte dieses Modell. Weil die Finanzämter der USA, Deutschlands und anderer Staaten mit ihren Informationswünschen auf Granit bissen, zogen die Cayman Islands Vermögen und Gewinne aus aller Welt an wie ein Magnet die Eisenspäne. Ende 2007 verwalteten Briefkastenfirmen, Banken und Investoren nach Angaben der dortigen Finanzaufsicht Cima rund 2,1 Billionen Euro. Knapp 10.000 Hedgefonds sitzen formell auf der Insel, während ihre Geschäfte meist aus London und New York gesteuert werden.
Angesichts der Finanzkrise allerdings steht die auf Steuerhinterziehung basierende Ökonomie unter zunehmendem Druck. Im Haushalt des Territoriums klafft ein Loch von etwa 323 Millionen Euro.
"Die Nachricht, dass die Cayman Islands bankrott seien, ist eine Übertreibung", sagte eine Sprecherin des britischen Außenministeriums der taz. Sie räumte aber ein: "Die öffentlichen Finanzen haben sich während des vergangenen Jahres verschlechtert, nun überlegt man Gegenmaßnahmen."
Die prekäre Haushaltslage hat mehrere Ursachen. Wegen des Wachstums der Finanzbranche musste die Inselregierung in den vergangenen Jahren die öffentliche Infrastruktur ausbauen. Im Zuge der Finanzkrise sanken aber die Einnahmen aus Gebühren, die die Banken für ihre Niederlassungen entrichten. Auch die Erlöse aus dem Tourismus gingen zurück. Deshalb wandte sich Cayman an London mit der Bitte, einem Kredit zuzustimmen, der das öffentliche Defizit decken könne. Als erste Antwort schickte das britische Außenministerium besagten Brief auf die Insel. Nun sind Verhandlungen über die Lösung der Haushaltsklemme im Gange.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“