: Catchkampf der Genossen
■ Rache des Bremerhavener Stadthallen-Chefs im SPD-Grabenkrieg funktionalisiert
Daß in Bremerhaven gediente Genossen mit allerlei Versorgungsposten bedient werden, ist wirklich keine Neuigkeit mehr. Neu an dem jüngsten Vorfall in Bremens meerseitiger Schwesterstadt ist allerdings, daß hier gar kein Versorgungsposten vergeben wurde, sondern ein solcher Vorwurf lediglich als scharfe Waffe im Grabenkrieg um die Macht im SPD-Unterbezirk selber verwandt wird. Genau passend zu den heute beginnenden internen Parteiwahlen sind vom Bremerhavener SPD-Fraktionschef Richard Skribelka jetzt schwere Vorwürfe gegen seinen Konkurrenten, den Parteivorsitzenden Siegfried Breuer lanciert worden.
„Breuer hat mich aufgefordert, für ihn im Stellenplan ab 1. Juli 1993 eine Stelle ,gehobener Art' zu schaffen und den so geänderten Stellenplan in die nächste Aufsichtsratssitzung einzubringen.“ So hatte Hans-Jürgen Krams, Geschäftsführer der Bremerhavener Stadthalle, am 6. Dezember in einem Brief an SPD-Fraktionschef Skribelka geschrieben. Und weiter: „Nach der Genehmigung der Stelle durch den Aufsichtsrat würde Breuer noch in der Sitzung sein persönliches Interesse bekunden. Das sei mit dem Genossen Oberbürgermeister Willms so abgestimmt. Er sei sicher, daß er gewählt werden würde. Auf meinen Einwand hin, solche Stellenbesetzungen müßten ausgeschrieben werden, erklärte er mir, eine Ausschreibung käme für ihn nicht in Frage.“
Die Story klingt für Bremerhavener Verhältnisse durchaus plausibel. Und daß sich hier ausgerechnet Parteichef Breuer ein Pöstchen ermauschelt haben soll, dürfte manchen Genossen besonders gefreut haben, ist doch Breuer einmal als Saubermann mit dem Versprechen angetreten, den Saustall der Ära Lenz gründlich auszumisten. Doch auf den zweiten Blick hält die schöne Filz-Geschichte nicht, was Stadthallen- und Fraktionschef versprechen.
Richtig ist lediglich, daß sich Breuer zwischen Mitte Februar und 9. März vergangenen Jahres für einen Abteilungsleiter-Job bei der Stadthalle interessiert hat – und zwar auf Vorschlag von Stadthallen-Chef Krams. Der hatte nämlich kalkuliert, daß ihm ein Mitarbeiter Breuer nicht im Wege stehen würde, wenn es Ende des Jahres an die Verlängerung seines eigenen Geschäftsführer-Vertrages ginge. Breuer ist stellvertretender Vorsitzender des Stadtwerke-Aufsichtsrats. „Ich muß damals einen Blackout gehabt haben“, meint er heute selbstkritisch.
Doch im Mai, als sich die von Krams ins Spiel gebrachte Räuberpistole um die Breuer-Stelle abgespielt haben soll, war der SPD-Chef bereits als Geschäftsführer beim Arbeitsförderungszentrum (AFZ) stellenmäßig versorgt. Dafür waren inzwischen Vorwürfe der ÖTV laut geworden, Krams habe in betrunkenem Zustand Stadthallen-Mitarbeiter drangsaliert.
Diese Vorwürfe seien schließlich auch der Grund gewesen, warum er im November mit seiner entscheidenden Stimme einer Vertragsverlängerung des Stadthallen-Geschäftsführers Krams nicht zugestimmt habe, sagt Breuer. Krams dagegen sieht dies als Ausführung eines bereits im Frühjahr angedrohten Racheakts: „Unmißverständlich erklärte mir Breuer (in Bezug auf seinen Posten bei der Stadthalle): ,Wenn Du das hintertreibst, kommt es zu keiner Vertragsverlängerung bei Dir.' Das Ergebnis ist nun bekannt. Er hat seine Drohung wahrgemacht!“
„Das ist das letzte Gefecht, das hier geführt wird, um die neuen Mehrheiten doch noch einmal umzubiegen“, vermutet nun Parteichef Breuer. Der Krams-Brief und seine gezielte Veröffentlichung wenige Tage vor den Delegiertenwahlen für den SPD-Unterbezirk, die wiederum über die Wahllisten für die nächste Bürgerschafts- und Stadtratswahl bestimmen werden, sei von seinen parteiinternen Feinden „gedealt und gesteuert nach dem Motto: Irgendwas wird schon hängenbleiben.“ Breuer will nun juristisch gegen Krams vorgehen.
Öffentlich verbreitet wurde der Krams-Brief gestern auch vom stellvertretenden CDU-Landesvorsitzenden und Bürgerschaftsabgeordneten Michael Teiser. Er hält die Vorwürfe für „überzeugend und nachhaltig“ und macht sich für eine Vertragsverlängerung des Stadthallen-Geschäftsführers stark. Und schließlich droht Teiser mit einem Untersuchungsausschuß, um „die Beteiligten unter Eid vernehmen zu können“. Ase
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