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Castortransport nach LubminGeheime Route

Es rollt wieder ein Zug mit Atommüll von Frankreich nach Deutschland. Im Laufe des Tages soll er die Grenze passieren. Auf dem Weg nach Lubmin erwartet die Polizei Blockadeversuche.

Am Dienstagabend protestierten Atomkraftgegner in Greifswald gegen den Transport und das Zwischenlager. Bild: dpa

CADARACHE/SCHWERIN/LUBMIN dpa | Erneut ist ein Castor-Transport mit deutschem Atommüll aus Frankreich unterwegs. In den Spezialbehältern befinden sich 2.500 Brennstäbe aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe und vom deutschen Atomschiff "Otto Hahn", die jahrelang im südfranzösischen Kernforschungszentrum Cadarache lagerten.

Sie sollen ins bundeseigene Zwischenlager Nord bei Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern gebracht werden. Der Zug mit den Castoren startete nach Angaben von Greenpeace am Dienstagabend in Cadarache. Am frühen Mittwochmorgen befand er sich nach Angaben von Atomkraftgegnern zwischen Valence Ville und Lyon im Osten Frankreichs.

Die genaue Fahrtroute des Zuges wird geheim gehalten. Je nach Streckenverlauf werde er zwischen etwa 12 und 17 Uhr am Mittwoch die deutsch-französische Grenze erreichen, berechneten die Aktivisten vom französischen Anti-Atom-Netzwerk "Sortir du nucléaire". Im Zwischenlager bei Lubmin wird er voraussichtlich am Donnerstag eintreffen.

Fünf Wochen nach dem von schweren Protesten begleiteten Transport ins niedersächsische Gorleben wird der Atommüll auch diesmal von einem Großaufgebot der Polizei gesichert. Wegen der zu erwartenden Proteste seien rund 3.000 Beamte aus den Ländern im Einsatz, davon 1.200 aus Mecklenburg-Vorpommern, teilte Innenminister Lorenz Caffier (CDU) am Dienstag in Schwerin mit. Hinzu kämen etwa 1.800 Polizisten aus acht weiteren Bundesländern. Zudem begleite die Bundespolizei den Transport "in vierstelliger Zahl", wie der Präsident der Bundespolizeidirektion Bad Bramstedt, Joachim Franklin, sagte. In Gorleben sollen rund 20.000 Polizeibeamte im Einsatz gewesen sein.

Zum Zeitplan und zur Route wollte sich Caffier mit Hinweis auf die Witterung und mögliche Behinderungen an der Strecke nicht äußern. "Es geht Sicherheit vor Schnelligkeit. Schon deshalb gibt es keinen festen Zeitplan", erklärte er. Alle Veröffentlichungen dazu und zur Streckenführung seien Spekulation. Die Kosten für das Land werden auf 1,6 Millionen Euro geschätzt.

Caffier appellierte an die Atomkraftgegner, ihren Protest "sachlich und gewaltfrei zu artikulieren". Bislang genehmigten die Behörden elf Mahnwachen entlang der Strecke zum Zwischenlager bei Lubmin; insgesamt soll es aber 70 Veranstaltungen geben. "Das Gros im Raum Greifswald", sagte Caffier. Der Protest sei mit dem in Gorleben vor einigen Wochen aber nicht zu vergleichen.

Nach Angaben der Bundespolizei haben Unbekannte an der möglichen Castor-Strecke in der Region um Greifswald an neun Stellen probiert, heimlich Schotter aus dem Gleisbett abzutragen. "Schwellen wurden nicht freigelegt. Wir werten das ganze als Test, angesichts der Frostlage zu ergründen, ob die Steine angefroren sind", erklärte Franklin. Er leitet den Einsatz der Bundespolizei bei dem Transport.

Unabhängig von der tatsächlichen Route des umstrittenen Atommüll-Transports bereitete sich auch die Polizei in anderen Bundesländern auf größere Einsätze vor. So rechnet Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) mit Protesten in seinem Land. Wann und wo genau die Castoren durch die Mark rollen, wollte ein Ministeriumssprecher nicht sagen: "Sicherheitsinteressen verbieten eine Vorab-Information zu Route und Zeitpunkt", sagte er.

Atomkraftgegner gehen davon aus, dass der Zug auf dem Weg ins Zwischenlager Nord bei Lubmin wahrscheinlich auch durch die Prignitz rollt. "Der Karlsruher Atommüll ist in Lubmin völlig fehl am Platz", kommentierte Greenpeace-Sprecherin Anike Peters. So lange kein sicheres Endlager existiere, müsse der Müll wieder zurück in das Bundesland, in dem er produziert wurde.

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6 Kommentare

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  • J
    JanG

    an @JanG:

    Als Physiker der nun schon seit einiger Zeit in der Endlagerforschung arbeitet bin ich recht gut informiert.

     

    Und an @Jan:

    Die Endlagerung ist ein technisch gelöstes Problem. Allein die Politik und vor allem die uninformierten Leute verhindern den Ausbau eines solchen Lagers.

     

    Siehe hierzu den Artikel 'Endlagerung in Deutschland' auf meinem Blog: kerngedanken.wordpress.com

  • N
    Neutronenschnecke

    Gibt es auf der nächsten Anti-Castor-Party eigentlich Heizpilze und Würstlstände ? Welche Bands spielen, was kostet der Eintritt, kann man die Spritkosten von der Steuer absetzen ? Wenn nicht kann man die Veranstalter nicht mehr empfehlen.

  • J
    @Jan

    Es ist eben NICHT egal wogegen.

    Ich z.B. bin dagegen, dass die Konzerne mithilfe der Politik ihre Interessen gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit durchsetzen. Genau DAGEGEN protestiere ich!!!

    In einer Hinsicht hast Du allerdings recht: auch wenn der A-Müll in ein Land käme. aus dem er stammt, würde ich weiter protestieren, denn das betreiben von Atommeilern auf Kosten der künftigen Generationen (und das ist definitiv der Fall, solange der Müllproblem nicht gelöst ist) ist UNVERATWORTLICH! Es befriedigt lediglich die Interessen Einzelner statt dem Ganzen zu dienen. Und last but not least bremst es den Ausbau von wirklich zukunft-orientierter Technologien, wie der regenerativen Energien.

  • SK
    schon klar

    nee, für vieles: Für Realisieren der Gefahren die von dem Müll ausgehen. Für dezentrale, erneuerbare Energiegewinnung mit ungefährlicher Technik (massiv Wind & Solar, kleine Wasserkraft, wenig Biomasse)...

     

    Aber stimmt schon: Gegen lügende PolitikerInnen und AtomPRlerInnen, gegen die Blockade der Erneuerbaren (= auch für ganz viele Windräder in Bayern und BW) und gegen Alibi-Großprojekte von Atomkonzernen.

  • J
    @JanG

    Nicht informiert sein und dann trotzdem dafür sein, egal wofür, aber dafür.

    Traurig

     

     

    jaja Klischees machen das Leben leichter

  • J
    JanG

    Der Müll soll in das Bundesland in dem er produziert wurde. Na ja, und wenn es so wäre, die Gegner würden auch dann an den Gleisen stehen und lauthals protestieren. Dagegen sein, egal wogegen, aber dagegen. Traurig.