■ Cash and Crash: Neuer Börsen-Bug
Berlin (taz) – Schon wieder haben Software-Analysten eine neue Spezies in der Welt der Computerfehler – Bugs genannt – entdeckt: den D10K-Bug. Die Computerprogramme von Börsenhändlern könnten einen Dow-Jones-Index von 10.000 Punkten als Crash interpretieren, sagt Andy Kyte, Analyst der Gartner Group, die bei der Untersuchung des Jahr-2000- Problems führend ist. Grund: Für den Index sind im Speicher der Software nur vier Stellen reserviert. Überspringt der Dow Jones die 10.000-Marke, liest die Software 0.000.
Doch während das Jahr-2000-Problem allen Firmen ein kalkulierbares Ultimatum stellt, weiß niemand, wann der Dow Jones auf 10.000 klettert. Grund zur Gelassenheit gibt es nicht: In den letzten zwölf Monaten ist Dow von 7.200 auf derzeit 9.050 Punkte gestiegen.
Kyte empfiehlt Banken und anderen Finanzdienstleistern, endlich Krisenstäbe zu bilden. Denn der Kauf oder Verkauf von Aktien ist häufig über sogenannte Trading-Programme automatisiert. Ist eines der Kaufkriterien für die Software der Stand des Dow-Jones-Index, könnte es zu katastrophalen Fehlentscheidungen kommen. „Die Programme arbeiten doch alle nur mit vier Stellen. Wenn der Rechner vier Nullen liest, gibt er sofort Order: alles verkaufen“, bestätigt ein Merrill- Lynch-Analyst. Eine multinationale Bank habe bereits ihre Jahr-2000-Spezialisten auf das Dow-10.000-Problem angesetzt, sagte Andy Kyte kürzlich in der Financial Times.
Ohne die korrekte Darstellung des Dow Jones könnten Dow-Jones-Futures abstürzen. Solche Finanzterminkontrakte sind nichts anderes als Wetten auf den künftigen Stand des Indexes. Dabei wird jedem Index- Punkt ein Wert zugeordnet. Beim Dow Jones sind es 10 Dollar pro Indexpunkt. Angenommen, die „Wette“ laute, der Dow Jones sei am 1. September bei 9.500 Punkten, dann ist der Future also 95.000 Dollar wert. Dann bekommt der Future- Käufer den Differenzbetrag, falls der Index höher liegt. Ist er niedriger als 9.500 Punkte, muß der Käufer den Unterschied zahlen. Da diese Kontrakte alle computerisiert sind, kann ein falsch interpretierter Dow Jones hier für Trouble sorgen.
Wall Street selbst betont, nichts mit dem Dow-10.000- Problem zu tun zu haben. „Die New York Stock Exchange berechnet den Dow Jones nicht, sondern liefert nur die Kurse“, erklärt Börsensprecherin Kimberley Williams. „Die Börse wird immer alle Geschäfte abwickeln können.“ Niels Boeing
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