■ Cash & Crash: Bullen in Europa
Berlin (taz) – Der Quasi-Kollaps des Europäischen Währungssystems (EWS) hat vielerlei Auswirkungen auf den Handel mit Geld und Wertpapieren aller Art. Zum Beispiel auf die Aktienbörsen dies- und jenseits des Atlantiks. Gerade erst hatten die Europäer begonnen, sich für US-Aktien zu erwärmen. Hoher Dollarkurs und sinkende Zinsen sprachen für einen Aufschwung jenseits des Atlantiks. Die neuen Entwicklungen in Europa machen aber dieser Romanze erst mal ein Ende. Denn seit die schwächlichen europäischen Währungen nicht mehr durch halsbrecherisch hohe Zinsen auf einem bestimmten Kurs gehalten werden müssen, können die Investoren zu Hause auf wirtschaftliche Erholung hoffen.
Ergo ist eine Anlage in europäischen Aktien zum jetzigen Zeitpunkt angesagt, also bevor die Kurse so richtig zu klettern beginnen. Die Aussichten für die europäischen Börsen seien bullish, heißt das dann bei den Investment-Banken. Britische und deutsche Aktien erklommen zu Wochenbeginn Rekordhöhen. Den Aktienkursen in der Wall Street gereichte dies aber noch nicht zum Nachteil; der Dow-Jones-Index schwang sich, nachdem Bill Clintons Haushaltsplan den Segen des Kongresses erhielt, ebenfalls auf ein historisches Hoch.
Für Unternehmer haben die neuen Wechselkursschwankungen weniger angenehme Aspekte. Auf sie kommen vielmehr neue Risiken zu. Solange die Wechselkurse weitgehend fest waren, konnte ein international handelndes Unternehmen ohne weiteres Überschüsse in der einen und ausstehende Posten in einer anderen Währung gegeneinander verrechnen. Jetzt kann es passieren, daß Überschüsse beispielsweise in Franc plötzlich gar nicht mehr so viel wert sind wie die DM- Summen, die an anderer Stelle fehlen mögen. Auch wenn ein, sagen wir, deutsches Unternehmen heute nach Frankreich liefert, könnte die erst später in Franc erfolgende Zahlung dann viel weniger wert sein als bei Vertragsabschluß. Also müssen Unternehmen sich gegen Währungsschwankung absichern. Hedging nennt sich das. Zum Beispiel gibt es da die Termingeschäfte, bei denen heute vereinbart wird, zu welchem Wechselkurs morgen oder in einigen Monaten ein Geschäft abgewickelt wird. Oder die Möglichkeit der Währungs-Swaps: Ein französisches Unternehmen kann zum Beispiel Schulden, die auf D-Mark lauten, mit Hilfe einer Bank gegen Franc-Schuldscheine tauschen, womit das Wechselkursrisiko ausgeschaltet wäre. Der Möglichkeiten gibt es genug. Allein kostenlos gibt es diese „Instrumente“ nicht. Nicola Liebert
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