■ Cash & Crash: Geld und Unglück
Berlin (taz) – Sie haben Geld, und sie haben Macht, wie ihnen Thomas Meyer, Chefvolkswirt von Goldman Sachs in Frankfurt, anläßlich der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Madrid bestätigte: „Die Finanzmärkte kontrollieren die Regierungen heute viel effektiver, als es der IWF je konnte.“ Und kein anderer Markt ist weltweit so frei wie der des Geldes und der Aktien.
Offenbar aber macht zuviel Freiheit unglücklich, denn mit zerfurchter Stirn und hängenden Mundwinkeln schleicht ein Großteil der weltumspannenden Börsianer-Community über die Parkette der Finanzmärkte und läßt die Kurse tendenz- und lustlos schwanken – seien die Nachrichten auch noch so gut.
In den USA boomt die Konjunktur viel stärker als gedacht? Die Händler maulen: Inflation droht, und die Zinsen steigen. Daran ließe sich doch verdienen? Na ja, nölt der kapitale Festgeldanleger, die größten Schuldenmacher – die Regierungen der Industriestaaten – können sich das Geldausleihen zu so hohen Zinsen ja eh nicht mehr leisten. Sie tun dann zwar genau das, was als „gesunde Wirtschaftspolitik“ von Börsianern gern gelobt wird, nämlich sparen – nur die Privatanleger können dann nicht mehr gar so viel verdienen.
So kommt selbst in dieser Woche der US-Dollar nicht aus seinem Dauertief, und die Aktienindizes scheitern beharrlich an jeder auch noch so kleinen Psycho-Hürde.
Dabei hat es am Wochenende gleich zwei Staatsgeschenke an die Märkte des großen Geldes gegeben: Die USA verhängen keine Handelssanktionen gegen Japan, und der IWF bekam von den G-7-Regierungen verboten, neues Kunstgeld in die Währungsreserven armer Länder zu stecken – beides Entscheidungen, zu denen Börsianer in anderen Zeiten geschlossen applaudiert hätten, um anschließend die Kurse in die Höhe zu spekulieren.
Diesmal jedoch reichte es bloß für einen kurzen Anstieg am Montag, gefolgt von der technischen Korrektur nach unten am gestrigen Dienstag. Den einzig plausiblen Grund nennt uns die FAZ: Der Unglücksmonat Oktober ist da! Schon zweimal in diesem Jahrhundert crashten weltweit die Börsen dramatisch, 1929 und 1987. Seither gilt der Oktober nicht mehr als golden, sondern als schwarz.
Eine „schwere Woche steht bevor“ orakelt düster das Handelsblatt, und vermutlich werden es in Deutschland gleich zwei. Der Wahlausgang scheint den Börsianern wirklich offen, sonst wären sie hierzulande nicht gar so nervös. Wenn's dann im November schon keinen Kohl mit Kinkel mehr gibt, würde ihnen der berühmte Bremer Eintopf wohl am ehesten mit Ziegenfleisch schmecken. Donata Riedel
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