■ Cash & Crash: Schuld sind immer die anderen
Berlin (taz) – Regierungen finden immer eine Ausrede für ihre Pleite. Der Präsident von Mexiko zum Beispiel ist fest davon überzeugt, daß die Flucht ausländischen Kapitals die Peso-Krise dieses Frühjahrs ausgelöst hat. Leider paßt diese Theorie nicht zu den Tatsachen, die der Internationale Währungsfonds jetzt in einer neuen Untersuchung zusammengestellt hat.
Das Papier ist noch nicht veröffentlicht, was davon am Montag bekanntgeworden ist, bringt die Ausredenerfinder schon jetzt in Verlegenheit: Mexiko ist selber schuld am Ruin seiner Währung. Denn es waren die inländischen Investoren, die Ende 1994 aufhörten, an den Aufschwung zu glauben, und ihr Vermögen in Aktien und Rentenpapieren aus Hartwährungsländern anlegten.
Mexikos Devisenreserven sanken allein im Dezember 1994 um 6,7 Milliarden Dollar. Davon lassen sich ganze 370 Millionen Dollar auf Verkäufe ausländischer Anleger zurückführen, mit etwa 1,7 Milliarden war das Außenhandelsdefizit am Geldabfluß beteiligt. Den großen Rest, nämlich 4,6 Milliarden Dollar haben mexikanische Finanzleute und Unternehmer abgeschöpft.
Die Regierung hätte zu diesem Zeitpunkt mit einem Ausfuhrverbot für inländisches Kapital eingreifen können, meint der Währungsfonds und verweist auf Beispiele aus der Dritten Welt, die zeigten, daß solche Maßregelungen wenigstens kurzfristig geholfen haben. Vor allem über diesen Ratschlag sind Kommentatoren in Washington entsetzt. Sie sehen den Währungsfonds schon fest in der Hand von NGOs und anderen Feinden des freien Geldverkehrs. Auch dieser Vorwurf hält den Tatsachen nicht stand. Mexikos Wirtschaftspolitik hatte seit 1990 den Zufluß kurzfristig angelegten Spekulationskapitals begünstigt, aus Angst vor ausländischen Einfluß langfristige Anlagen jedoch mit allerlei Auflagen behindert. Ab Februar 1995 reagierten dann die internationalen Börsen, wie es die Regierung hätte voraussehen können. Da die mexikanischen Investoren ihr Geld ins Ausland brachten, räumten auch die spekulativen Anleger schleunigst ihre Peso- Positionen. Erst jetzt setzte eine Welle von Verkäufen ausländischer Anleger ein, die sogar den amerikanischen Präsidenten reagieren ließ. Mit einem Kredit von 40 Milliarden Dollar für Mexiko versuchte Bill Clinton Verluste an der Wall Street aufzufangen.
Auch diese Ausrede läßt der Währungsfonds nicht gelten. Die Peso-Krise sei für das internationale Währungsgefüge bedeutungslos gewesen, erläutert der Bericht, insbesondere sei keine einzige Bank in Schwierigkeiten geraten. Das Geld ist trotzdem weg. Niklaus Hablützel
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