■ Cash & Crash: Schweine-Termin
Berlin (taz) – Wenn ein Landwirt Schweine mästet, muß er sie verkaufen, just bevor sie anfangen zu verfetten. Sonst verdient er nichts mehr an dem minderwertigen Fleisch. Ist zum rechten Zeitpunkt der Preis für Schweinefleisch im Keller, hat er auch Pech gehabt. Doch ab nächstem Jahr kann der Mäster sich wenigstens frühzeitig darauf einstellen, welchen Preis er für seine Viecher bekommen wird: mit Hilfe der Warenterminbörse in Hannover. Dort kann er im Juli Verkaufskontrakte zu festen Preisen abschließen für Schweine, die erst im Herbst schlachtreif werden.
Wenn sich ein Rohstoffhändler in genauer Kenntnis der Bauernregeln sicher ist, daß die Weizenernte besonders reich ausfällt und daß das Überangebot die Preise drückt, dann kann er diese Vermutung künftig in Spekulationsgewinne umsetzen. Er verkauft etwa im Mai an der Warenterminbörse Weizen, den er erst im August zu liefern verspricht. Wenn bis dahin die Preise tatsächlich gefallen sind, kann er sich kurz vor dem Liefertermin schnell mit billigem Weizen eindecken und die Preisdifferenz einstreichen.
Die Operation des Schweinemästers, mit der er sich gegen Preisschwankungen absichern will, bezeichnet man als Hedging. Doch die Rohstoffbörse ist wegen der hohen Preisschwankungen zugleich auch für Spekulanten hochinteressant. Auf beide Gruppen hoffen nun die hannoversche und die Hamburger Börse, die Europäische Warenterminbörse Beteiligungs-AG, in der sich vor allem Landwirte und Händler zusammengeschlossen haben, sowie der Deutsche Terminhandelsverband. Mitte Juli gründeten sie in Hannover die erste deutsche Warenterminbörse, die in rund einem Jahr den Terminhandel mit Schweinefleisch, Weizen, Kartoffeln, Raps und Braugerste aufnehmen will. Allerdings werden keine Ferkel übers Börsenparkett rennen, denn es handelt sich um eine reine Computerbörse.
Die Börsengründer erhoffen sich gute Gewinnchancen, obwohl wegen zahlreicher Betrügereien Warentermingeschäfte in Deutschland einen schweren Stand haben. In fünf Jahren wollen sie die Investitionen in Höhe von insgesamt 18 Millionen Mark wieder herausbekommen haben. Der europäische Agrarmarkt, auf den man zielt, sei so groß wie der US-Markt, wo zehn Warenterminbörsen im Geschäft sind. Hannover wird die sechste europäische Agrar-Warenterminbörse. Nicola Liebert
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