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Caricatura-NachwuchsakademieDamit es lustig bleibt

Zeichnen, tuschen, texten, weil die Welt auch morgen noch lachen will: Ein Besuch bei der Nachwuchsakademie der Caricatura in Kassel.

Wie bringt man Haltung aufs Papier? Ein Ergebnis der Caricatura-Nachwuchsakademie. Bild: Michael Holtschulte

KASSEL taz | Selten wurde ein alter Bahnhof besser genutzt als der in Kassel. Im ehemaligen Hauptbahnhof der nordhessischen Stadt ist heute die Caricatura zu Hause, die in ihrer Galerie für Komische Kunst eben diese ausstellt – und einmal im Jahr Nachwuchskarikaturisten zur Sommerakademie einlädt. Die Idee: Talente auf dem Gebiet des Komischen zu fördern – damit die Welt auch in Zukunft etwas zu lachen hat.

Doch davor kommt die Arbeit. In diesem Jahr hatten 20 Zeichner in der ersten Augustwoche den Weg nach Kassel gefunden, um sich mit dem Thema politische Karikatur zu beschäftigen. Als Akademieleiter hatte man den Cartoonisten Til Mette gewonnen, der vor Jahren bei der taz angefangen hat, heute für den Stern zeichnet und lange Jahre in New York lebte.

Eine Woche zeichneten, malten und tuschten die Teilnehmer unter seiner Anleitung in dem großen Raum der Caricatura-Bar, die zum Showroom umfunktioniert wurde. Die Teilnehmer, zehn Frauen und elf Männer, sind Illustratoren, freie Künstler, Grafiker oder arbeiten schon als Cartoonisten oder Karikaturisten. Sie alle einte der Wunsch, mehr über das Handwerk der komischen Kunst zu lernen. Und alle können zeichnen, viele sogar sehr gut.

Nachwuchsakademie

Weitere Werke aus der Caricatura-Nachwuchsakademie finden Sie in unserer Bildergalerie.

Auf den Tischen liegen Aquarellfarben oder Filzstifte bereit. Handarbeit ist angesagt, Computer nutzt keiner. Der erste Eindruck: Die meisten sind sehr fleißig und würden gern bis spät in die Nacht arbeiten. Die Vorgaben besorgt Til Mette – der, wie immer krulleköpfig und aufgeräumt redend, die Themen vorgibt.

Am Sonntag, dem ersten Tag, steht „zum Warmwerden“ das nur auf den ersten Blick leichte Thema „Papst“ auf dem Programm. Mettes Konzept ist es, der Gruppe jeden Tag ein Thema vorzugeben, das innerhalb von drei Stunden von den Teilnehmern in eine Zeichnung umgesetzt werden soll.

Das Thema: „Haltung“

Am Montag geht es dann in die Vollen, das Thema heißt „Haltung“. Mette fragt, ganz Pädagoge: „Wollt ihr euch die nächsten drei Stunden damit beschäftigen?“ Für Mette ist Haltung wichtig – sie entscheide darüber, wie eine Zeichnung wahrgenommen werde. Und damit einhergehend: Wie unterschiedlich schauen verschiedene Generationen auf ein Thema?

Als Beispiel nennt Til Mette Bushido, den viele muslimische und arabische Jugendliche gut finden, da sie glauben, sonst kein Gehör zu finden, und die sich in seiner Musik und vor allem in seinen Texten mit ihren Problemen wiederfinden. Gleichzeitig könne eine Bushido-Karikatur auch eine vollkommen andere Haltung transportieren, sagt Mette, etwa die oft als frauenverachtend kritisierten Texte des Rappers thematisieren.

Welches Themengebiet die Nachwuchszeichner beackern, um „Haltung“ auf das Papier zu bannen, ob Ökologie, Sexismus oder Multikulti, das ist erst einmal egal, es soll allerdings eine Meinung zum Thema herauskommen. Die Devise lautet: Haltung. Meinung! Und Humor, der sollte selbstverständlich dabei sein.

Im nächsten Arbeitsschritt versucht Mette, den Blick wieder auf das Praktische zu lenken: Wie kommt man zu Themen, wie entwickelt man ein Gespür dafür? Sein Tipp für die Eleven ist simpel: Zeitung lesen. Die tagesaktuelle Politik verfolgen. Die Lust entwickeln, etwas madig zu machen. Vor allem aber sollten die Nachwuchszeichner Spaß daran haben, sich selbst zu artikulieren.

Das Problem: Sich zu entwickeln kostet Zeit. Und die, sagt Mette, werde den Karikaturisten heute oft nicht mehr gewährt. Man müsse als Zeichner schnell performen, denn die Konkurrenz ist groß. Man müsse bundesweit bekannt sein, um zu überleben, lokale Zeichner gebe es nicht mehr.

Der Meister ist streng aber fair

Zeichnen – und anschließend kritisieren: Die Karikaturen werden aufgehängt, alle Teilnehmer stehen im Kreis, während Til Mette die Ergebnisse einzeln begutachtet. Als Kritiker ist er hart, aber durchaus fair.

Eine Zeichnung zum Afghanistan-Konflikt, urteilt der gestrenge Meister, verharmlose das ernste Thema. Oder er entdeckt einen Kalauer, für ihn die unterste Schublade des Humors, jedenfalls dann, wenn er nicht funktioniert. Eine andere Zeichnung bewirkt keinen Lacher, sie hat keine zweite Ebene, wie Til Mette anmerkt. Nackte Männer zu zeichnen, ist noch keine feministische Haltung.

Marin Sonntag ist der Leiter der Caricatura. Er und seine Mitarbeiterin Saskia Wagner umsorgen die Gruppe Tag für Tag, um sie arbeitsfähig zu halten. Sie kaufen nicht nur täglich alle überregionalen Zeitungen für den inhaltlichen Input, sondern stellen einen großen Kühlschrank mit Getränken auf und besorgen Unmengen von Süßigkeiten. Das ist wichtig, da viele bis spät in die Nacht an ihren Zeichnungen arbeiten.

Ab und zu gibt es dann auch mal eine Visite vom Chef persönlich: Achim Frenz ist nicht nur Gründer der Caricatura Kassel, sondern auch Direktor des Museums für Komische Kunst in Frankfurt am Main. Sein Wissen über aktuelle und historische Karikaturen ist beeindruckend. Für die Schüler, denen er immer wieder über die Schulter schaut, ist er ein wichtiger Berater.

Auch Gestik und Mimik der Figuren müssen stimmen, der Cartoonist Peter Butschkow weiß, wie es richtig geht, und gibt Tipps. Schließlich schaut auch noch der Autor und Kabarettist Bernd Gieseking vorbei, der auch wegen seiner Erfahrung als Bühnensprecher zum Textcoach wird: Wie findet man den Satz, der die Zeichnung erst komplett macht?

Die Zusammenarbeit mit den Redaktionen

Der kreative Prozess ist das eine im Berufsalltag, wie man Abnehmer für seine Ergebnisse findet und möglichst reibungslos mit ihnen zusammenarbeitet, eine andere. Verschiedene Referenten erzählen den Nachwuchstalenten dazu aus ihrem Alltag – wie die Fotoredakteurin der taz, die über die Zusammenarbeit mit Karikaturisten in der Redaktion berichtet.

Cartoonisten und Karikaturisten sind oft Einzelkämpfer, für den Nachwuchs wird die Sommerakademie der Caricatura in dieser Woche zum Zentrum der Welt. Hier haben sie die Chance, andere Zeichner kennenzulernen, sich zu vernetzen. Und zu lernen, lernen, indem sie zeichnen, zeichnen. Bis alles getan ist – und beim Abschiedsumtrunk auf die große Zukunft der Karikatur angestoßen wird.

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1 Kommentar

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  • R
    Ruhender

    Ist man sich eigentlich noch im Klaren darüber, wie geschmacklos eine solche Karikatur wie die oben dargestellte ist? Offenbar hat der Nachwuchs keinerlei Feingefühl mehr. Der Holzhammer regiert, wie schon bei diesem grotesk plakativen Werbefilm, wo das Kind Hitler überfahren wird. Schrill, schriller, am schrillsten, lautet das Motto, gerne mit rassistischen und sexistischen Tendenzen. Erbärmlich - und dafür werden noch Preise spendiert. Wie damals die abstoßenden Juden-Karikaturen im Stürmer, da konnte es auch nicht dumm und einfältig genug sein.