: Care-Pakete ins Chaos von Goma
■ Erste US-Soldaten vor Ort / Schon 7.000 Choleratote / Zaire will Grenze wieder öffnen
Berlin (AFP/dpa/taz) – Mit der Ankunft erster US-amerikanischer Soldaten und dem Abwurf von Hilfsgütern aus Flugzeugen hat am Wochenende die seit Tagen diskutierte internationale Militäraktion zur Hilfe für die 1,2 Millionen ruandischen Flüchtlinge in der Region um das zairische Goma begonnen. Eine 22köpfige logistische Einheit der US Army war am Samstag aus Frankfurt am Main nach Goma geflogen, um Möglichkeiten zum Ausbau oder gar Neubau des kleinen Flughafens der Stadt zu erörtern. Gestern landete das erste US-Hilfsflugzeug mit einer Wasserfiltrieranlage in Goma. Die USA planen die Einrichtung einer ständigen Luftbrücke, die vor allem aus dem benachbarten Uganda Lebensmittel und andere Hilfsgüter einfliegen soll. Dazu ist in einem noch unbestimmten Zeitraum die Entsendung von 4.000 oder mehr US-Soldaten vorgesehen. Sie sollen rein humanitäre Aufgaben wahrnehmen: Flugzeuge entladen, Lastwagen fahren, Latrinen bauen, Wasser aufbereiten, Kranke transportieren und pflegen.
Der Einsatz von Militärs soll das bisherige logistische Chaos auf dem Flughafen beenden. Nach UNO-Angaben dauert die Entladung eines Flugzeugs, das in Sarajevo in zehn Minuten geleert werden könnte, in Goma mehrere Stunden. Zudem würden nach wie vor zairische Fluglotsen Landegenehmigungen für kommerzielle Flüge erteilen und damit die Hilfsflüge durcheinanderbringen.
Deutschland kündigte unterdessen die Bereitstellung von zwei Transall-Maschinen zur Beteiligung an der Luftbrücke an, um die bisher als einziges deutsches Bundeswehrflugzeug operierende Boeing 707 zu verstärken. Die ersten Einsätze sollen am Mittwoch geflogen werden. Ferner will das Bonner Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit Mittel in Höhe von 20 Millionen Mark, die bisher für die Verbesserung der Wasserversorgung in Ruanda selbst vorgesehen waren, für die Flüchtlingshilfe umwidmen und siebzehn Wasseraufbereitungsanlagen für Goma bereitstellen. Damit soll der weiter grassierenden Choleraepidemie in den Flüchtlingslagern begegnet werden.
Nach einer Schätzung der Hilfsorganisation Médecins Sans Frontières (MSF) hat die Cholera um Goma bis zum Samstag 7.000 Todesopfer gefordert. Ein Sprecher des französischen Militärs in Goma sagte, allein seine Soldaten hätten an einem Tag 2.000 bis 3.000 Ruander begraben. „Das einzige, was hier effektiv funktioniert, ist die Totenbestattung“, sagte UNHCR-Sprecher Ray Wilkonson. MSF- Mitarbeiter Georges Dallemagne wies darauf hin, daß die Epidemie erst am Anfang steht: „Normalerweise dauert eine Epidemie drei Wochen. Sie ist überhaupt noch nicht unter Kontrolle.“ Zusätzliche Probleme bietet der vielfache Gebrauch nichtsterilisierter Nadeln bei einer in hohem Maße HIV-infizierten Bevölkerung – nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1992 waren schon damals zehn bis dreißig Prozent der Jugendlichen auf dem ruandischen Land und vierzig Prozent der Jugendlichen in der Hauptstadt Kigali mit dem Aids-Virus infiziert. Mediziner fürchten auch die Ausbreitung verschiedener tropischer Infektionskrankheiten mit tödlichem Verlauf, die sich in den letzten Jahren in Zaire verbreitet haben.
Angesichts der katastrophalen Notlage ruft die UNO die Flüchtlinge nun offen zur Rückkehr nach Ruanda auf. Mehrere tausend rückkehrwillige Flüchtlinge sitzen an der Grenze fest, nachdem die zairischen Grenzsoldaten auf eine angebliche Anweisung der Behörden hin den Übergang geschlossen hatten. Zaires Ministerpräsident Kengo wa Dondo sagte gestern, es gebe keinen Grund für eine Schließung der Grenze. Sie solle „in Kürze“ wieder geöffnet werden. D.J.
Tagesthema Seite 3, siehe auch Seite 10
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