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Cannes CannesKämpfen, weinen, küssen

■ In Cannes gab's taiwanesisches Widerstandskino und ein Hollywood-Traumpaar

Ein bißchen wie Peter Weiss' „Ästhetik des Widerstands“ hat der taiwanesische Regisseur Hou Hsiao Hsien den kompliziert verschränkten Epochen seines Films eine jeweils eigene Bildkomposition gestattet. Endlich hat man mal das Gefühl, im Kino zu sein, gleich von der ersten Einstellung an: Hier sind Farben, Proportionen, Gestalt.

„Gute Männer, gute Frauen“ ist der einleuchtend simple Titel, dessen Erzählung mit der japanischen Invasion Chinas 1937 beginnt und in den Neunzigern wie erschöpft zum Ende kommt. Schwarzweiß mit einem leichten Grünton ist die Zeit, in der eine Gruppe taiwanesischer Kommunisten nach China zieht, um sich der Revolutionsbewegung anzuschließen (die sie zunächst für japanische Spione hält und in Ketten legt).

Wie Peter Weiss den nicht-stalinistischen Spanienkämpfern, gibt auch Hsiao Hsien dieser Gruppe alles, was die Komposition ihnen geben kann: Sie durchmessen den Raum, ihre Lieder hört man leise im Morgengrauen, ihre verständnislosen Gesichter sieht man während der Verhöre durch diejenigen, die doch eigentlich ihre Genossen sind, für ihre Toten verdüstert sich auch die obere Bildhälfte. Die Neunziger: ein bißchen das Neon, mit dem man rechnen mußte, dazu Fax- Machines und weiße Bademäntel; aber auch allerlei Glasperlenspiele, feuerrote Perücken, Spiegel, sogar Liebesperlen. Und auf den Schreibtischen stehen kleine Aquarien.

Keineswegs soll der Dienstag vergehen, ohne daß wir Ihnen mitgeteilt hätten, daß Patricia Arquette und Nicolas Cage nicht nur ein Paar sind, sondern ein verheiratetes Paar, yes Sir!, und das erst seit wenigen Tagen; und daß beide hier waren, nämlich zum Ball im „Carlton“; und daß Patricia bei der Projektion des Arquette-Vehikels „Beyond Rangoon“ bei der erneuten Besichtigung der gewaltsam niedergeschlagenen burmesischen Demonstrationen weinen mußte, jawohl WEINEN; und daß Nicolas sie dann aber ganz lieb getröstet hat mit kleinen Küssen.

Nick Nolte hingegen kann sich an nichts erinnern; er war zwar vor zehn Jahren schon mal hier, aber was da war und weshalb, weiß er nicht mehr. Daß er seinen neuesten Film „Jefferson in Paris“, eine Geschichtslektion aus dem Hause Merchant/Ivory, einfach klasse findet, das weiß er schon.

Ganz viel über Thomas Jefferson hat er jetzt erst erfahren, das hätt' er so gar nicht gewußt. Hämisch wie die Republikaner, die meinen, alle Projekte der Clinton-Administration schon mit dem einen Argument erledigen zu können, daß sie zwar stets sehr multikulturell tut, aber dann zu Hause lateinamerikanische SchwarzarbeiterInnen beschäftigt, legt der Film den Hauptschwerpunkt auf Jeffersons Widersprüchlichkeit: Für die Freiheit, speziell auch der Religion, eintreten, aber Sklaven halten (und schwängern) und die Tochter nicht Katholikin werden lassen, das haben wir gern!

In diesem Zusammenhang fiel Nolte auch wieder ein, was er schon alles für die Menschenrechte getan hat. Während Patricia Arquette Tränen vergoß über ihr Engagement in Burma erzählte Nolte, wie er falsche Papiere an Leute verkauft hat, die nicht nach Vietnam wollten, und wie er deshalb 45 Tage ins Gefängnis mußte und nur gegen eine millionenschwere Kaution wieder freigelassen wurde. Offiziell hat er die bürgerlichen Rechte, die er damals verwirkte, nie wieder zurückbekommen. Nach dem Film müßte er noch welche draufzahlen.

Kurzer Zwischenbericht aus der Wohnwabe. Die Kollegin erwachte gestern mit der leider Gottes zutreffenden Bemerkung: „Ich habe überhaupt keine Augen mehr. Ich sehe aus wie ein Schwein.“ Behauptungen allerdings, wie Sie sie dieser Tage in diversen Radiomedien antreffen können, daß taz-Redakteurinnen in Cannes liegen und laut schnarchen, entsprechen nicht der Wahrheit und sollten energisch dementiert oder jedenfalls mit einem kräftigen „bist selbst eine Stinkmamsell“ gekontert werden. Mariam Niroumand

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