Cannabisgesetz: Kiffen für die Wissenschaft
Die Forschungsprojekte zu Cannabis zu Genusszwecken sind durchgeplant. Diverse Kommunen wollen Verkaufsstellen einrichten. Aber was passiert nach der Bundestagswahl?
Bei den Anbauvereinigungen der Cannabis-Social-Clubs (CSC), die bereits losgelegt haben, dürfte das nicht so einfach sein. Was aber ist mit den Forschungsprojekten, die den probeweisen Verkauf von Konsumcannabis in Fachgeschäften wissenschaftlich begleiten sollen?
Diverse Kommunen, Hochschulen und Unternehmen stehen in den Startlöchern. Mehr noch: Die Anträge zur Durchführung der Forschungsvorhaben liegen dem zuständigen Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE) vor und warten auf Bewilligung. Auf taz-Nachfrage ließ das BLE allerdings wissen, dass man vor der Wahl in der Sache kaum noch tätig werde. Die zuständige Abteilung befinde sich noch im Aufbau.
„Jeder Euro, der in der Hasenheide nicht in Marihuana umgesetzt wird, ist ein Erfolg.“ So hatte Neuköllns Gesundheitsstadtrat Hannes Rehfeldt (CDU) im vergangenen Dezember die Beteiligung seines Bezirks an dem Modellversuch begründet.
Lizenzierte Fachgeschäfte
Zusammen mit Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow will Neukölln lizenzierte Fachgeschäfte eröffnen. Die wissenschaftliche Leitung der Pilotstudie übernimmt das Fachgebiet Urbane Ökophysiologie der Pflanzen an der Humboldt-Universität. Das Verkaufsstellenkonzept hat die Sanity Group entwickelt.
Das Start-up mit Hauptsitz in Berlin rechnet sich zu den Top Five der Cannabis-Unternehmen in Deutschland. Auch in Frankfurt und Hannover begleitet die Sanity gleichlautende geplante Cannabisforschungsprojekte, angelegt auf jeweils fünf Jahre. „Alle Anträge sind eingereicht,“ bestätigte Sanity-Sprecherin Jennifer Plankenbühler. Man hoffe auf baldige Rückmeldung der BLE, um im ersten Halbjahr 2025 loslegen zu können.
Bisher habe sich Sanity auf die Belieferung von Apotheken mit medizinischem Cannabis konzentriert. Die Nachfrage ist seit dem 1. April 2024, als die Gesetzesänderung in Kraft trat, deutlich gestiegen. Ärzte müssen kein Betäubungsmittelrezept mehr ausstellen, wenn sie Cannabis als Therapeutikum verordnen. Ein normales Rezept reicht. Andere Unternehmen wie die sächsische Firma Demecan bestätigen, dass der Markt für medizinisches Cannabis in Deutschland stark gewachsen ist.
Der Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken werde strikt getrennt von Apotheken erfolgen, sagt Plankenbühler. Zwei bis drei Fachgeschäfte pro beteiligten Bezirk seien geplant. Sanity miete die Immobilien an, stelle das Fachpersonal und sei für die Produktbeschaffung zuständig.
Acht bis zwölf Euro pro Gramm
Das Konsumcannabis werde der Qualität des medizinischen Cannabis entsprechen. Pflanzen und Extrakte beziehe Sanity unter anderem aus Kanada, Portugal und Südafrika. Der Verkaufspreis werde sich am Schwarzmarktpreis orientieren, acht bis zwölf Euro pro Gramm seien im Normalfall angestrebt.
„Wir wollen die Schwarzmarktmarge nicht massiv unterbieten, um keinen Anreiz zu Mehrkonsum schaffen“, sagte Plankenbühler. „Wir wollen eine sicherere, weniger gesundheitsschädliche Alternative sein“. Im Vordergrund stehe Gesundheitsschutz und Safer Use – frei von Schadstoffen.
Teilnehmen können an dem Modellversuch nur Menschen, die in den beteiligten Bezirken gemeldet sind. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Circa 2.000 Teilnehmer seien für die Studie erforderlich um belastbare Daten erheben zu können, mehr Interessenten seien willkommen. Man müsse aber aktiv mitwirken an dem Forschungsprojekt.
Fragebögen über das eigene Konsumverhalten etwa seien regelmäßig auszufüllen. Es werde eine maximale Verkaufsmenge pro Kopf und Monat geben, die sich an den Vorgaben des Konsumcannabis-Gesetzes orientiere.
Was heißt das nun alles im Fall eines Regierungswechsels? Finn Hänsel, Gründer und Geschäftsführer der Sanity Group, sagt, er blicke interessiert auf die Bundestagswahl. Derzeit werde von CDU/CSU ein starker Anti-Cannabis-Kurs gefahren, so Hänsel, aber alle Ampel-Parteien hätten sich in ihrem jeweiligen Wahlprogramm pro Cannabis positioniert. „Daher werden es spannende Koalitionsverhandlungen.“ Er verspreche sich von den Pilotprojekten wertvolle Daten, die einer neuen Debatte in den nächsten Jahren Argumente liefern könnten, je nach Ausgang der Pilotprojekte.
Der Neuköllner Gesundheitsstadtrat Rehfeldt sieht das ähnlich. Er erhoffe sich von der Studie Daten, die sonst kaum zu bekommen seien. „Wir raten jedem ab, zu konsumieren. Aber wenn er das tut, soll er das möglichst ungefährlich tun.“ Sprich, in lizenzierten Fachgeschäften einkaufen und nicht auf „das gepanschte Zeug von der Straße“ angewiesen sein.
Und es gibt noch einen Grund, warum Rehfeldt der Erprobung von Cannabisfachgeschäften Positives abgewinnen kann: mehr Mittel für die Prävention. Keinen einzigen Euro mehr hätten die Kommunen bekommen, obwohl ihnen das von der Ampel-Regierung bei der Cannabis-Entkriminalisierung versprochen worden sei. Die Sanity Group habe eine Einnahmebeteiligung zugesagt, fünf Prozent des Verkaufspreises aller verkauften Cannabisprodukte gingen an die beteiligten Bezirke. „Diese Mittel werden in die dringend nötige Suchtprävention fließen“.
Dass eine Unions-geführte Bundesregierung die Forschungsprojekte kippt, glaubt Rehfeldt nicht. Er gehöre zu den Leuten, die das KCanG für inhaltlich und formal schlecht gemacht halten, aber es zurückzudrehen, würde dauern, ist der Stadtrat überzeugt. „Gesetz ist Gesetz“.
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