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Camping Wiebke-Sophie Volquardsen, Chefin des Campingplatzes Holnis bei Glücksburg, über Camper-Klischees, Winter- und Sommerleben und das neue Image der Ostsee„Ich liebe dieses Fleckchen Erde“

Interview Esther Geißlinger

taz: Frau Volquardsen, wie wird man Campingplatzbetreiberin?

Wiebke-Sophie Volquardsen: Ich bin mit dem Tourismus – Fremdenverkehr hieß das früher – aufgewachsen. Ich stamme von einem Gutshof am Plöner See. Dort hat meine Mutter, die ihrer Zeit weit voraus war, in den 1950er-Jahren mit einer Koppel am See als Zeltplatz angefangen. Im Lauf der Jahre wurden auch die Zimmer und Nebengebäude des Gutes in Ferienwohnungen umgewandelt. Meine drei Brüder und ich haben uns immer auf die Feriengäste gefreut, dann hatten wir Kinder zum Spielen.

War für Sie klar, dass Sie im Tourismus bleiben? Haben Sie eine entsprechende Ausbildung gemacht, Betriebswirtschaft studiert?

Ich bin Kunst- und Sportlehrerin – aber gearbeitet habe ich immer freiberuflich.

Wir sitzen hier am Strand bei Glücksburg, am nördlichsten Rand von Schleswig-Holstein. Erzählen Sie doch mal, was es hier zu sehen gibt.

Wir sind auf der Halbinsel Holnis an der Flensburger Bucht. Gegenüber liegt Dänemark, der Ort Broacker mit den beiden Kirchtürmen ist gut zu sehen. Auf der anderen Seite der Bucht zieht sich die deutsche Ostseeküste in Richtung Gelting. Flensburg ist 15 Kilometer entfernt. Die Bucht hier ist flach, gut für Kinder, aber man kann weiter draußen auch sehr schön angeln, kiten, surfen, segeln und schwimmen. An der Spitze der Halbinsel liegt ein Naturschutzgebiet mit Steilküste und Salz–wiesen, die Flächen sind im Besitz des Nabus. Herrlich zum Spazierengehen oder Radfahren.

Wie hat es Sie hierher verschlagen?

Der Platz war ausgeschrieben, 2002 war meine erste Saison als Betreiberin. 2011 konnte ich das Grundstück des Campingplatzes von der Gemeinde Glücksburg kaufen. Seither habe ich viel investiert, angefangen mit neuer Stromversorgung und Kanalanschlüssen der Plätze bis hin zu neuen Gebäuden. Hätte ich nicht kaufen dürfen, hätte ich längst nicht so viel Geld hineingesteckt. Man will ja auch etwas weitergeben können an die nächste Generation.

Hat die nächste Generation denn Interesse?

Durchaus möglich. Wir haben fünf Kinder, die vielseitig beruflich engagiert sind.

Heute ist das Wetter sonnig und warm, aber das war in diesem Jahr selten. So ein Sommer wie dieser mit Regen, Kälte, Wind: Was heißt das für Sie?

Die spontanen Urlauber fehlen, da das Campinggeschäft sehr wetterabhängig ist. Und einige reisen früher ab, wenn es zu kalt ist, das kann man ihnen auch nicht verdenken.

Machen Sie sich deswegen Sorgen? Was, wenn nächste Saison wieder schlecht wird?

Ach, das passiert nicht. Und ich sehe es als Anstoß, neue Attraktionen zu schaffen. Zum Beispiel haben wir das Strandcafé gebaut, während der Olympischen Spiele haben wir die Wettbewerbe übertragen. Das wurde gut angenommen.

Waren die Urlauber früher treuer? Einige Menschen kamen über Jahrzehnte hinweg immer an denselben Ort – gibt es das noch?

Nur einige wenige. Natürlich haben wir Dauercamper, die von Frühjahr bis Herbst auf dem Platz leben oder zumindest jedes Wochenende anreisen. Aber grundsätzlich ist die Verweildauer viel kürzer geworden. Kennt man ja von sich selbst: Man ist nicht so lange am Stück abkömmlich. Und wer zum Beispiel mit dem Wohnmobil unterwegs ist und auch an die Nordsee will, der bleibt eben nur eine Nacht hier und fährt am nächsten Morgen weiter.

Vielen Dank für das Stichwort. Im Grunde heißt das Hauptproblem der Ostsee „Nordsee“ – gegen die Konkurrenz kommen Sie doch nie an.

Nö. Die Ostsee hat doch viel mehr Urlauber.

Ehrlich? Die Top-Urlaubsziele in Schleswig-Holstein befinden sich doch samt und sonders an der Nordsee, zum Beispiel St. Peter-Ording, Büsum, Helgoland, Sylt …

Ja, aber die Ostsee umfasst eine viel größere Fläche. Allein an der Lübecker Bucht liegt ein alteingesessenes Bad neben dem anderen. Das geht praktisch bis Kiel, und dann kommen Eckernförde, die Geltinger Bucht, schließlich wir. Also: Keine Konkurrenz zur Nordsee. Was aber stimmt: Man muss heute mehr um die Urlauber werben, die schöne Lage allein reicht nicht mehr. Selbst wenn sie besonders schön ist wie hier.

Wie also bringen Sie die Leute dazu, hierher und möglichst im nächsten Jahr wiederzukommen?

Das Wichtigste ist, dass die Gäste sich willkommen fühlen. Das beginnt mit Kleinigkeiten. Man muss zuhören, erfassen, was die Gäste sich wünschen, sie gut beraten. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – 15 Personen inklusive der studentischen Hilfskräfte – sollen und dürfen sich Zeit nehmen für solche Gespräche.

Camping heißt es, sei ein Zustand, in dem man die eigene Verwahrlosung als Erholung empfinde. Verwalten Sie hier Verwahrlosung?

Ach, das stimmt alles gar nicht mehr. Hier kommen Wohnmobile an, in denen hinten der Smart für die Ausflüge drinsteht. Und auch die Wohnwagen bieten heute jeden Luxus. Und übrigens, zu den Klischees: Der durchtrainierte Herr mit Pferdeschwanz und Tauchermaske da hinten ist ein Dauercamper. Und zum Ausstattungsstandard gehören nicht nur modernste Sanitär-Anlagen, sondern auch WLAN.

Das passt zur aktuellen Kampagne der Tourismus-Agentur „Die Ostsee erfindet sich neu“. Was war schlecht an der alten Ostsee?

Eigentlich nichts. Und im Grunde ist das jetzt auch keine ganz neue Entwicklung. Aber allgemein wird zurzeit viel in Infrastruktur, in neue Projekte investiert. Da gehöre ich auch dazu, mit dem Hotel, das ich hier ans Meer gebaut habe. Die Idee hatte ich schon lange, aber von der ersten Idee bis zur Umsetzung hat es Jahre gedauert. Das größte Problem war, die Gemeinde zu überzeugen – einige konnten sich das nicht vorstellen, fanden das Hotel viel zu groß.

Und Sie haben auf Arbeitsplätze, Steuern, Umsätze verwiesen?

Im Grunde muss man einfach nur beharrlich bleiben, immer wieder reden, die Skeptiker überzeugen. Jetzt, wo alles fertig ist, finden auch die ehemaligen Kritiker es schön.

Sie haben in das Hotel einen Millionenbetrag investiert. Macht Sie das nicht nervös?

Wiebke-Sophie Volquardsen

62, ist auf einem Gutshof mit Zeltplatz aufgewachsen. Sie hat in Flensburg Lehramt studiert, fünf Kinder bekommen, und irgendwann selbst einen Campingplatz gepachtet. Kürzlich hat sie ein Hotel dazu gebaut.

Es ist schon eine beachtliche Summe. Aber durch das Hotel erschließen wir natürlich neue Gäste, zum Beispiel Geschäftsleute, die Termine in Flensburg haben. Ich will nicht sagen, dass es hochwertigere Gäste sind. Sie haben aber andere Bedürfnisse, wünschen einen anderen Service. Wobei wir uns aber auch um die Lässigkeit bemühen, die heute gewollt wird.

Das klingt jetzt sehr nach Tourismus-Sprech. Was genau bedeutet das?

Zum Beispiel, dass es in jedem Zimmer eine kleine Küche gibt. Die Gäste können sich ein Frühstück servieren lassen, sie müssen aber nicht. Allein diese Wahlmöglichkeit ist für viele wichtig. Und durch das ganze Haus zieht sich ein Designkonzept. Ich habe Kunst integriert, vor allem die Bilder des Malers und Grafikers Hans-Ruprecht Leiß. In den Fluren findet jährlich eine neue Ausstellung seiner Werke statt.

Die aktuellen Geschehnisse auf der Welt verändern das Reiseverhalten vieler Menschen – profitieren Sie indirekt von Terror und Krieg?

Nein, das wäre ja schrecklich! Und es gibt auch keinen zählbaren Zusammenhang zwischen einzelnen Geschehnissen und Gästezahlen. Wir hatten schon vorher Gäste und haben sie weiter. Und wenn es mehr werden, glaube ich daran, dass es wegen unserer Anstrengungen passiert.

Sie geben auf Ihrer Webseite eine Winter- und eine Sommeradresse an. Haben Sie ein Winterleben und ein Sommerleben?

Ja, das war so. Aber mit dem neuen Hotel ist das eigentlich vorbei. Jetzt läuft der Ganzjahresbetrieb an. Bisher sind die Buchungszahlen gut. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

Wo machen Sie selbst Urlaub?

Ehrlich gesagt, ich bin super gern hier. Ich liebe dieses Fleckchen Erde – ich kenne den Strand Holnis seit meinem Lehramtsstudium in Flensburg. Weil ich hier so tolle Zeiten erlebt habe, war ich ja auch so froh, dass ich den Campingplatz hier übernehmen konnte. Ansonsten fahre ich gern in die Holsteinische Schweiz oder in die Berge zum Skilaufen.

Auf den Campingplatz?

Meistens ins Hotel. Aber meine Kinder fahren mit dem VW-Bus von Campingplatz zu Campingplatz. Die lieben das.

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