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Café in Kreuzberg besetzt und geräumtPolizeieinsatz im Jenseits

Das leer stehende Café Jenseits am Kreuzberger Heinrichplatz wird kurz in Umsonstladen verwandelt. Polizei nimmt drei der Aktivisten fest. Die kritisieren Härte des Einsatzes.

Jenseits und diesseits vom Jenseits im Einsatz: Die Berliner Polizei Bild: dpa

Die Polizei hat am Samstag die nur wenige Stunden dauernde Besetzung des ehemaligen Cafés Jenseits am Heinrichplatz in Kreuzberg beendet. Bei den Auseinandersetzungen wurden mehrere Personen verletzt, drei Personen wurden vorübergehend verhaftet.

Das Künstlerlokal an der Kreuzung von Oranienstraße und Mariannenstraße stand seit Januar leer. Der Wirt Clement de Wroblewsky gab an, es habe eine Mieterhöhung von 100 Prozent gegeben, die er sich nicht habe leisten können. Am Samstag um 14 Uhr wurde das Café von rund 80 Personen besetzt.

Die Besetzer wandten sich in einer Erklärung dagegen, dass immer mehr Menschen mit geringen Einkommen den Kiez verlassen müssten: "Alteingesessene Betriebe mit Angeboten, die auch für Menschen mit wenig Geld erschwinglich waren, werden zugunsten von teuren Geschäften und Restaurants, die sich an eine Kundschaft mit hohem Einkommen wenden und auch entsprechend mehr Miete zahlen können, verdrängt."

Die Besetzer eröffneten in dem Café einen "Umsonstladen" mit dem Namen "Diesseits". Wer gebrauchte Waren nicht mehr benutzt, sollte diese dort abgeben, damit andere Menschen sie kostenlos mitnehmen können. Sie boten dem Vermieter an, die Betriebskosten für den leer stehenden Laden zu übernehmen.

Nachdem die Polizei gegen 19 Uhr kam, liefen die Besetzer auf die Straße. Die Beamten riegelten den Zugang zum Lokal ab. Laut Polizei führte das zu "lautstarken Unmutsäußerungen der Besetzer und später auch vereinzelt zu körperlichen Attacken gegen die eingesetzten Beamten". Die Besetzer haben das anders erlebt. Ihnen zufolge "stürmten immer wieder Gruppen von Polizisten ohne Vorwarnung völlig grundlos auf einzelne Kleingruppen zu und misshandelten die Menschen massiv mit Schlägen und Tritten".

Drei Menschen wurden vorübergehend festgenommen und später am Abend entlassen, nachdem die Polizei ihre Fingerabdrücke registriert und Porträtfotos von ihnen angefertigt hatte. Ein 22-Jähriger musste im Krankenhaus behandelt werden, nachdem die Polizei ihm Pfefferspray in die Augen gesprüht hatte. Nach Darstellung der Polizei hatte er sich zuvor "durch Treten und Schlagen seiner Festnahme zu entziehen versucht" und dabei sogar ein geparktes Auto beschädigt. Die Polizei erstattete gegen die Besetzer eine Reihe von Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs, versuchter Gefangenenbefreiung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt. Die Vorwürfe, der Einsatz sei unverhältnismäßig gewesen, wies Polizeisprecher Frank Millert pauschal zurück.

Für den kommenden Samstag planen die Besetzer um 15 Uhr eine Demonstration vor dem Gebäude.

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20 Kommentare

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  • B
    Bastian

    @ Sebastian

    Der Laden war zu diesem Zeitpunkt ungenutzt. Such dir lieber eine leerstehende Wohnung, Haus oder Laden und mach es dir dort gemütlich.

     

    @ Rainer:

    Den "Sicherheitskräften" würde ich nicht alles sofort glauben was sie von sich geben.

    Die Gewaltbereitschaft insbesondere von berliner Polizeibeamten war immer schon hoch. So haben sich in Gorleben ja schon bayrische Beamte über die Berliner Kollegen beschwert.

    Angesichts der Tatasache das auf Grund des Corpsgeistes der Polizei und der Solidarität durch die Justitz, insbesondere Staatsanwaltschaft kaum ein Polizist verurteilt wird, würde ich mir allgemein eine härteres Durchgreifen wünschen.

     

    Art. 14 GG lässt sich sehr weitläufig auslegen. Das war vom Parlamentarischen Rat auch so beabsichtigt. Schade das in heutiger Zeit Satz 1 mehr gilt als Satz 2...

    Und wann wurde eigentlich zu Letzt jemand enteignet, weil er sich nicht an 14.2 GG gehalten hat?

     

    @ vic:

    Wie oft wurde denn zuletzt jemand durch linke Brandsätze verletzt? Zumal am 1.Mai ein Großteil der Randalierer unpolitische Krawalltouristen sind..

  • C
    claudia

    Es nützt halt nichts, auf die Feuerwehr zu schimpfen, wenn man sie erst holt, wenn das Haus abgebrannt ist.

     

    Da kann die Feuerwehr noch so gute Konzepte haben, aus den rauchenden Trümmern kann sie nicht über Nacht ein neues Haus bauen.

     

    Wahrscheinlich wurde sie eh nur geholt weil man ja irgend jemand die Schuld in die Schuhe schieben muß...

  • O
    ole

    @claudia

     

    Schon klar. Deswegen propagiert man auch das Gemeineigentum im Grundsatzprogramm, muß sich aber nicht daran halten, wenn man in der Regierung ist. Dann ist so ein Finanzinvestor die bessere Lösung, Börsengang sowieso.

  • C
    claudia

    >>Aber letztendlich geht es hier nur um's Geld, auch dem Senat.

  • O
    ole

    Ja Harald, so ist das wohl leider.

    Fairerweise muß man sagen, daß Berlin trotzdem noch eine lebenswerte und relativ billige Stadt ist, verglichen mit anderen Metropolen Europas, Asiens oder Amerikas.

     

    Allerdings ist es schon bemerkenswert, wie leicht es heutzutage branchenfremden Private Equity's wie Cerberus gemacht wird, städtisches Wohneigentum zu kaufen und lediglich als Kapitalanlage zu betreiben.

    Danke SPD und LINKE.

    Ich kenne in Friedrichshain noch Eigentümer und Hausverwalter, denen wirklich der Kiez am Herzen liegt und die auch heute noch erschwingliche Mieten verlangen. Das gibt es also noch, wenn auch die Tendenz abwärts geht.

     

    Nun wollen wir mal schauen, ob SPD und LINKE das ehemalige Gemeineigentum in Form der GSW erfolgreich an die Börse bringen oder ob nicht doch ein Widerstand innerhalb der SPD dies verhindert. Aber letztendlich geht es hier nur um's Geld, auch dem Senat.

  • V
    vic

    "...12.04.2010 11:12 Uhr:

    von @ vic:

    Na immerhin gab es keine Opfer durch Brandsätze. Ist ja in diesen Zeiten nicht selbstverständlich."

     

    Na einen eigenen Namen wirst du doch haben, nein?

  • S
    schlubber

    bestimmt hätten die besetzer kein problem damit, besuch zu empfangen, zu diskutieren und auch auf zeit einen schlaf- oder aufenthaltsplatz zur verfügung zu stellen...

     

    anders der eigentümer des dies/jenseits: er wohnt ja erstmal garnicht da, nutzt auch den laden nicht, weshalb der seid januar frei steht...

     

    und die verdoppelung der miete bezieht sich sicher auch nicht allein auf den laden, sondern auch auf die übrigen wohnungen. ich würde zum ausgleich vorschlagen, daß vermieter erstmal dazu verpflichtet werden, ihren mietern die ladengeschäfte zur freien verfügung bereit zu stellen.

     

    das würde den mietern einen ausgleich zu den gestiegenen mieten (für die es meistens leider keine gegenleistung seitens des vermieters gibt) geben und obendrauf soziales und kultur fördern. oder wir bleiben mietsklaven, die sich weiter auspressen und herumstossen lassen, oder wir kümmern uns darum, leben und wohnen endlich selber zu organisieren!

  • H
    Harald

    @Bernd

     

    Volle Zustimmung.

    So, wie jetzt viele in ihren Kiezen über diverse Entwicklungen jammern, ging es wohl vor Hundert Jahren unseren Urgroßeltern. Plötzlich wuchsen mehrstöckige für sie wahrscheinlich monströs wirkende Häuser in den Himmel und zerstörten die neu in Mode gekommenen Autos die beschauliche Pferdekutschenatmosphäre. Jede Generation wird wohl in ihrem Leben und in ihrem Umfeld tiefgreifende Veränderungen erleben und einige kommen eben damit besser klar als andere.

  • B
    Bernd

    @ Kreuzberger:

     

    Das einzig Stete im Leben ist der Wandel.

  • F
    Frank

    Wieso kam es denn überhaupt zum Polizeieinsatz?

  • S
    Schulz

    Was kostet die billigste Wohnung am Heinrichplatz?

    Habe Vermittlungsgutschein, Arbeitgeber werden staatl. finanziell belohnt, ich kann praxisbegleitend Weiterbildungsmassnahmen machen.

    Habe schon mehrere Berufe.

    Suche Arbeit (Wohnung) in Berlin.

    Kenne Kreuzberg.

    Heinrichplatz ist unvergleichlich.

    Bin 50!

    Das Leben beginnt!

  • S
    swan

    ja ja traurig traurig ,wenn man zwanzig jahre seinen kiez kennt und dann mit ansehen muß,wie kulturelle einrichtungen für t-shirt läden weichen sollen.

    danke allen hausverwaltungen,die ihre gebäude an die immobilienmakler verschleudert haben (neukölln).dadurch weicht kultur den materialismus.ich glaube man muß in kreuzberg ein paar jahre gelebt haben,um diese aktion zu verstehen.das dort vielen ansässigen und alten kreuzbergern das herz blutet,wenn sie sehen,zu was ihr kiez mutiert.es wird ja nicht besser in kulturell-gesellschaft-politischer hinsicht.sondern flacher und anonymer.das ist kein fortschritt sondern dekadenz.wir haben eine kultur gegen das leben und für das geld.traurig traurig

    danke cafe jenseits ,der heini war mal paradies.

  • VV
    @ vic

    Na immerhin gab es keine Opfer durch Brandsätze. Ist ja in diesen Zeiten nicht selbstverständlich.

  • S
    Schlaumeier

    Die Räumung des besetzten, derzeit ungenutzten Raumes war im Sinne von Art. 14.1 GG korrekt. Die Besetzung missachtete die Garantie des Eigentums und hätte es dem Eigentümer unmöglich gemacht, den Raum wieder einer Nutzung zuzuführen. Am Einsatz ist nichts auszusetzen, im Gegenteil.

     

    Die Polizei hat als Staatsorgan, das dem GG verpflichtet ist, korrekt gehandelt, indem sie einen einzelnen Bürger und sein Eigentumsrecht vor der Gewalt einer Gruppe schützte.

  • X
    xonra

    Während Attac ein Tribunal simuliert, bei dem die wahren Verbrechen an der Gesellschaft deutlich werden, räumen die "Freunde und Helfer" harmlose Aktivisten mit staatlicher Gewalt aus einem leerstehenden Laden. Polizei und Justiz müssen sich deutlicher von den Machenschaften der Spekulanten und Wirtschaftskrimminellen distanzieren. Haltet die wirklichen Diebe!

  • C
    claudia

    Die Nutzung des leeren, ungenutzten Raumes war im Sinne von Art. 14.2 GG korrekt. Der ungenutzte Raum wurde einer Nutzung zugeführt, die dem Gemeinwohl dient. Daran ist nichts auszusetzen, im Gegenteil.

     

    Die Polizei hat als Staatsorgan, das dem GG verpflichtet ist, totalversagt, indem sie sich als Privatbüttel des Eigners mißbrauchen ließ.

  • V
    vic

    Na immerhin gab es unter den Besetzern keine Opfer durch Schusswaffeneinsatz. Ist ja in diesen Zeiten nicht selbstverständlich.

  • TB
    Timo Berger

    Das Jenseits war wirklich einer der letzten Plätze im so genannten "Kreutzberg 36", den ich und meine lieben Freunde René Hamann und Rery Maldonado frequentiert haben. Schade, schade, dass wir dies Location aufgrund des Mietwuchers nun ausschließen mussen. Die Gentrifizierung goes on. Bald - laut Medienberichten - kommt Star Bucks und McRonald s am Heinrichplatz... Die Asiabox ist ja schon in Steinwurfnähe..

     

    Was bleibt uns, Wedding? Marzahn? Ich fürchte mich vor der Zukunft, aber leider setzen auch die Neukoellener Vermieter den Mietzins im Monatstempo hoch...

     

    Kreuzberg verdampft im Sekundentagt, Neukölln agoniertt noch ein paar Stunden länger...

  • R
    Rainer

    Den "Besetzern" würde ich nicht alles sofort glauben was sie von sich geben.

     

    Die Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte hat rasant zu genommen.

    Aus diesem Grund würde ich mir allgemein eine härteres Durchgreifen wünschen.

  • S
    Sebastian

    Vielleicht könnte man ja mal die Adressen der Aktivisten veröffentlichen damit man sich in denren Wohnungen gemütlich machen kann. Damit dürften die ja überhaupt kein Problem haben.