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Café GarbátyPankow soll nicht mehr rocken

Das Café Garbáty soll zwangsgeräumt werden. Es wäre das Ende eines langen Streits zwischen Pächter und Bezirk. Der will aus dem Rockerschuppen eine schnöselige Tanzschule machen.

Wer war Garbàty?

Der Unternehmer Josef Garbáty-Rosenthal eröffnete 1890 seine erste Zigarettenfabrik an der Schönhauser Allee und verlagerte sie 1906 nach Pankow. Hier ließ er in der Hadlich- und der Berliner Straße mehrere Fabrikanlagen bauen. In den 30er-Jahren war das Unternehmen mit knapp 1.600 Beschäftigten zu einem der größten in Pankow geworden.

Seinen guten Ruf verdankt der jüdische Unternehmer der sozialen Betreuung seiner Mitarbeiter. 1918 - neun Jahre vor der Einführung der staatlichen Arbeitslosenversicherung - waren 1.000 Angestellte bereits arbeitslosenversichert. Außerdem gab es für die Mitarbeiter ein umfangreiches Sozialangebot wie eine Kantine, eine Bibliothek sowie einen Betriebssportclub. Darüber hinaus machte sich Josef Garbáty-Rosenthal in Pankow auch als Mäzen einen Namen, indem er die Gemeinde Rosenthal und das Jüdische Waisenhaus mit Spenden unterstützte.

1938 wurde die Fabrik im Zuge der Arisierung durch die Nationalsozialisten zwangsverkauft. Die Familie Garbáty verlor ihren gesamten Berliner Grundbesitz. Josef Garbáty-Rosenthal reiste dennoch nicht mit seinen Söhnen aus, sondern blieb in Pankow, wo er 1939 88-jährig starb.

Neben dem Café Garbáty ist seit September 2000 auch der Platz vor dem S- und U-Bahnhof Pankow nach dem jüdischen Zigarettenfabrikanten benannt. Der Bezirk ließ 2002 zudem ein Kunstwerk auf dem Platz aufstellen: ein fünf Meter hohes Tor, das den Garbáty-Schriftzug trägt, der bis 1938 auf dem Dach der Zigarettenfabrik angebracht war. JEB

Warmes Licht scheint durch die Fenster der kleinen Villa in der Breiten Straße im Herzen Alt-Pankows. Im Innern ist es schummrig. Auf den Holztischen stehen Teelichter, das Eichenparkett knarzt unter den Schuhen. Jugendstilornamente an den Fenstern, stuckverzierte Decken und ein Kronleuchter erinnern an die einst herrschaftlichen Zeiten des unsanierten, denkmalgeschützten Gebäudes.

Hier hat Wolfgang Spors vor knapp acht Jahren ein "Kultur-Café" eröffnet und es nach dem sozial engagierten jüdischen Zigarettenfabrikanten Josef Garbáty-Rosenthal benannt. Spors Anliegen: die beiden Risikobranchen Gastronomie und Kultur miteinander zu verbinden, ohne auf öffentliche Gelder angewiesen zu sein. Das ist dem 43-jährigen Geschäftsmann und Familienvater auch gelungen. Mit jährlich 180 Veranstaltungen - neben Konzerten Ausstellungen, Tangokurse und Lesungen - lockt er nicht nur Stammpublikum aus der Nachbarschaft in die Breite Straße, sondern auch Musikliebhaber und Kulturinteressierte aus ganz Berlin und Umgebung in den ansonsten kulturell eher verschlafenen Bezirk.

Die Künstlerauswahl ist international. Neben Ostrockbands und musikalischem Nachwuchs hat Spors schon Legenden aus der Rock- und Bluesszene auf die 10-Quadratmeter-Bühne geholt, darunter Stones-Backgroundsänger Bernard Fowler oder TM Stevens. "Damit öffnet sich für Pankow ein kleines Fenster zur Welt", sagt Spors nicht ohne Stolz.

Doch dieses Fenster droht das Bezirksamt nun endgültig zu schließen: Für den 11. März hat es die Räumung des Cafés angesetzt. Grund ist ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Spors und dem Bezirk als Hauseigentümer. Dahinter versteckt sich auch eine Art Kulturkampf.

Im September 2006 hatte der damalige Bezirksbürgermeister Burkhard Kleinert (Linke) den Mietvertrag aufgrund "vertragswidrigen Verhaltens" von Seiten Spors fristlos gekündigt. Dazu kam es, weil Spors eine - wie er selbst sagt - unberechtigte Steuerforderung vom Finanzamt erhalten hatte und zugleich seine Gewerbelizenz aufgrund verspätet eingereichter Unterlagen verlor. Daraufhin übertrug er seinem Bruder die Bewirtschaftung des Garbáty - auch um sich mehr auf die kulturelle Programmgestaltung des Cafés konzentrieren zu können. "Das war ein eklatanter Bruch des Mietvertrags", sagt Kulturstadtrat Michail Nelken (Linke). Spors habe seine Räume illegal an Dritte weitervermietet. Gegen die Kündigung legte der Café-Betreiber dennoch Widerspruch ein; den Prozess verlor er im November 2007. Um Zeit zu gewinnen, ging er in Berufung.

Wolfgang Spors hält den Kündigungsgrund für vorgeschoben. "Das Bezirksamt will seit der Schließung des benachbarten Kulturhauses 2003 dieses gemeinsam mit dem Garbáty an einen einzigen kulturellen Träger verpachten", erzählt er. Er selbst habe beim ersten Interessenbekundungsverfahren den Zuschlag erhalten, seine Anwärterschaft aber aufgrund einer geschätzten Pachtsumme von jährlich 90.000 Euro zurückgezogen. Die folgende Ausschreibung im August 2005 gewann schließlich das Tanzstudio Dock 11 aus Prenzlauer Berg.

Das Zentrum für zeitgenössische Tanzproduktionen wird aus unterschiedlichen Fördertöpfen von Bund und Senat gefördert und nutzt bereits seit 2005 die benachbarten Fuhrparkhallen Garbáty als Produktions- und Proberäume. Für das Kulturhaus haben die Betreiberinnen Wibke Janssen und Kirsten Seeligmüller ein umfangreiches Konzept erarbeitet. Auf der Internetseite heißt es, neben "generationsübergreifenden Tanzkursen und Veranstaltungen" soll es Kulturveranstaltungen mit "Musikreihen, thematischen Filmreihen und Gartenfesten" geben. Geplant seien zudem Kooperationen mit Pankower Institutionen wie dem benachbarten Krankenhaus Maria Heimsuchung. Wie das genau aussehen soll, bleibt unklar - vom Dock 11 hat die taz trotz mehrfacher Anfrage keine Stellungnahme bekommen.

Das Konzept schließt angeblich auch ein, dass "jetzige Mieter in den Räumen bleiben" dürfen. Darauf hofft neben Betreiber Spors auch der Verein Garbáty, der sich im Herbst 2006 nach der Kündigung gegründet hat. Er besteht aus knapp 40 Stammgästen und Freunden des Café Garbáty, die "nicht zulassen wollen, dass die Politik diesen einzigartigen Kulturtreffpunkt im Herzen Pankows vertreibt", wie es auf dessen Internetauftritt heißt.

"Uns ist wichtig, dass das Garbáty nicht einfach von der Bildfläche verschwindet", sagt Vereinssprecherin Antonia Herzog. Genauso wie Wolfgang Spors ist sie überzeugt, dass das Projekt stirbt, wenn am Dienstag tatsächlich zwangsgeräumt wird. Um das zu verhindern, rufen sie für diesen Tag ab acht Uhr zu einer Mahnwache mit Frühstück und Live-Musik auf.

Dem Verein ist es letztendlich auch zu verdanken, dass das Café nicht schon längst geschlossen wurde. Er trat bereits während seiner Gründung in Verhandlung mit dem Bezirk, hat die Öffentlichkeit mit Unterschriftenaktionen und Demos mobilisiert und knapp 4.000 Unterstützer für das Garbáty gewonnen - darunter Prominente wie den Schauspieler Henry Hübchen und Ex-Kultursenator Thomas Flierl (Linke).

"Das Garbáty ist der einzige Ort in Pankow, wo sich Menschen um die 40, die sich in Prenzlauer Berg nicht mehr wohl fühlen, ausgehen können", findet Vereinssprecherin Herzog. Es ärgere sie, dass der Bezirk diesen Aspekt stoisch ignoriere und sich bei seiner Argumentation nur auf die Formalia des Rechtsstreits stütze. "Das ist doch ein Armutszeugnis vom Stadtrat", sagt auch Johanna Metz, eingefleischter Garbáty-Fan. Es gebe in Pankow ja ohnehin kaum noch Kultur, so die 28-Jährige. Und ob der Bezirk ausgerechnet eine Tanzschule brauche, ist ihrer Meinung nach höchst fraglich.

In die Debatte um das Kultur-Café hat sich auch die Opposition im Pankower Rathaus eingemischt. So beraumten die Grünen für vergangenen Freitag eine Sondersitzung des Kulturausschusses ein, um die Zwangsräumung zu verhindern. Sie verlief allerdings ohne Ergebnis. "Wir wurden einfach formal abgestraft", berichtet die grüne Fraktionsvorsitzende Stefanie Remlinger. Dennoch bezweifelt sie, dass am Dienstag tatsächlich geräumt wird. "Ich gehe davon aus, dass der erste Besuch des Gerichtsvollziehers ohne Polizeieinsatz abläuft."

Der Verein hofft indessen, dass sich das Bezirksamt bis dahin doch noch kompromissbereit zeigt. "Wir sind bereit, an einen anderen Standort umzuziehen", sagt Sprecherin Antonia Herzog. Es gebe sogar schon ein neues Objekt ganz in der Nähe, auf das sie der Bezirk selbst aufmerksam gemacht habe. Jetzt liegt es an der seit Jahreswechsel für den Fall zuständigen Immobilienstadträtin Christine Keil (Linke), mit dem Verein eine neue Räumungsfrist auszuhandeln. "Dock 11 wird dabei das Zünglein an der Wage sein", so Herzog. Sie warte auf eine Geste von den Betreiberinnen des Tanzstudios, dem Verein noch ein Jahr zu gewähren, um den nahtlosen Umzug des Café Garbáty vorzubereiten.

Darauf hofft auch Wolfgang Spors. "Wenn es zu solch einer Interimslösung kommt, ziehe ich meine Berufung zurück", versichert er. Damit wäre der Rechtsstreit beendet.

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