■ Zur Einkehr: Café Engel
Eine Gastwirtschaft mit einem höchst ansprechenden Ambiente. Eine Gastwirtschaft mitten im Herzen des Viertels. Außerdem kann man sogar draußen sitzen, wenn man draußen sitzen kann. Schön, der „Engel“ am Ostertorsteinweg. Könnte man hingehen. Könnte man – wenn man ansonsten auf eine freundliche oder sonstwie einladene Atmosphäre keinen großen Wert legt und es möglichst ungehobelt liebt:
Wer ein Faible hat für Schilder wie diese: „Kinder ja, Wagen nein“, derentwegen Gastronomen schon die italienische Staatsangehörigkeit verloren haben sollen, was man ja mal als Anregung aufgreifen könnte; wem es nichts ausmacht, daß ein Gastronomiebetrieb einen Zettel ins Fenster hängt, auf dem geschrieben steht, daß Menschen mit einem „pro Verkehrsberuhigungs“-Button keinen Zutritt hätten; wer es außerdem ziemlich prima findet, wenn um die Mittagszeit vor vollbesetzten Tischen eine Tresenkraft vom Geschäftsführer des Ladens des Lokals verwiesen wird, weil Geschäftsführung und Tresenkraft gut hörbar in einem arbeitsrechtlichen Streit liegen und die Tresenkraft Lokalverbot außerhalb der Arbeitszeit bekommen hat, und die Tresenkraft verläßt tatsächlich die Lokalität, wonach den Mittagsgästen das Essen nicht mehr schmecken mag, das Ohr ißt ja mit; wer sich noch wohlfühlt, wenn draußen am Nachbartisch die junge Frau ein Bein auf einen Stuhl legt, dann schnurstacks eben jener Geschäftsführer heranschlawenzelt kommt und meint, sagen zu müssen „Wir freuen uns ja, wenn sich unsere Gäste wie zu Hause fühlen, aber ganz wie zu Hause sollen sie sich nicht fühlen“ und der Frau mit einer wegwerfenden Handbewegung bedeutet, sie solle gefälligst ihr Bein da wegnehmen; wer sich dann noch wohlfühlt, wenn an eben jenem Nachbartisch die Frau sanft protestierend gehorcht, und eine Minute später der eklige Schmierlapp wiederkommt, um von ganz weit oben anhebt zu sagen „Ich würde verstehen, wenn Sie sich jetzt nicht mehr bei uns wohlfühlen. Ich könnte Ihnen anbieten, Ihre Bestellung zu stornieren“, und die Frau dann tatsächlich entgeistert und sprachlos abschiebt; wem nicht das große Kotzen kommt, wenn der Goldkettchenmann dann an einen anderen Nachbartisch weiterzieht, an dem er Prominenz geortet hat und offenbart, daß er nebenbei „in Hemden“ macht, „gute Ware, wenn Sie Interesse haben“; wer sowieso auf Goldkettchen und Cabriofahrer steht, die gerne in Sichtweite des „Engels“ parken – der soll halt sein Geld in den Engel tragen. Jochen Grabler
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