CSUler zur Fluggastdatenspeicherung: "EU-Bürger de facto ohne Rechte"

Die EU will Adressen und Essensgewohnheiten von Flugpassagieren 13 Jahre speichern. Das ist nicht verhältnismäßig, zumal unklar ist, warum diese Datensammlung sein muss, so Europaabgeordneter Weber.

Auch seine Daten kommen dran. Bild: dpa

taz: Herr Weber, die Überwachung europäischer Fluggäste soll verschärft werden. Was stört Sie daran?

Manfred Weber: Künftig sollen die sogenannten Passagierdaten bei Flügen aus und in die Europäische Union 13 Jahre lang gespeichert werden. Das schlägt jedenfalls EU-Sicherheitskommissar Franco Frattini vor. Ich halte diesen Vorschlag für nicht verhältnismäßig. 13 Jahre sind zu lang.

Weil Sie nicht an eine erhöhte Terrorgefahr glauben?

Dass es die gibt, ist erwiesen. Im vergangenen Jahr hatten wir eine europaweite Zunahme nachgewiesener Anschläge von 24 Prozent. Und natürlich steht die CSU in Europa immer aufseiten der Bürger. Es geht um ihre Sicherheit. Aber in diesem Fall lautet die Kernfrage, ob es verhältnismäßig ist, eine solche Menge an persönlichen Daten über 13 Jahre lang zu speichern.

Was macht es schon aus, wenn irgendeine Behörde weiß, wohin ich fliege?

Es wird ja nicht nur das gespeichert. Sondern neben Ihrer Adresse auch beispielsweise, was Sie im Flugzeug essen, Ihre Kreditkartennummer, Angaben zum Gepäck und zum Reiseverlauf. Mit den Möglichkeiten der heutigen Datenverarbeitung lässt sich damit einiges über eine Person, aber auch die Menschen, die sie kennt, aussagen. Und das ohne einen konkreten Verdacht. Dies widerspricht dem in Deutschland geltenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Laut dem hat der Einzelne das Recht, selbst über die Preisgabe und die Verwendung seiner Daten zu bestimmen.

Es ist durchaus möglich, in dieses Recht einzugreifen. Jedenfalls dann, wenn das Interesse der Allgemeinheit mehr wiegt.

Aber dafür muss der Gesetzgeber zwischen dem Interesse des Betroffenen und dem der Sicherheitsbehörden abwägen. Und dies ist bei Frattinis Vorschlag zur Fluggastdatenspeicherung nicht ausreichend geschehen.

Wie meinen Sie das?

Es existieren keine Belege dafür, dass der Frattini-Vorschlag den Ermittlungsbehörden tatsächlich mehr Erfolge verschaffen würde. Auch die USA, die schon länger auf diese Weise arbeiten, konnten kaum Erfolge vorweisen. In Europa speichern Fluggesellschaften übrigens seit 2004 Fluggastdaten nach einheitlichen Standards - für ihren eigenen Gebrauch. In begründeten Einzelfällen kann die Polizei schon heute darauf zugreifen. Wir sollten erst einmal untersuchen, wie nützlich die bisherige Praxis ist, bevor wir sensible Daten von jedem Flugpassagier ohne Verdacht sammeln.

Die Menschen sind durch den EU-Rahmenbeschluss zum Datenschutz geschützt.

Nein. Den hat das Parlament bisher nicht beschlossen. Es gibt harmonisierte Regeln beispielsweise für die Privatwirtschaft. In allen datenschutzrechtlichen Belangen gegenüber Sicherheitsbehörden haben EU-Bürger jedoch de facto noch keine Rechte. Sie dürften im Fall der Fluggastdaten nicht einmal Auskunft über die Angaben verlangen, die über sie gespeichert würden.

Am Donnerstag stimmt der Bundestag ab, ob er von der Bundesregierung verlangt, den Frattini-Vorschlag abzulehnen. Was halten Sie davon?

Es ist gut, dass die EU-Fluggastdatenspeicherung in Deutschland endlich öffentlich diskutiert wird. Das müsste mit Vorschlägen aus Brüssel sehr viel häufiger passieren. Bisher schalten sich Politik und Öffentlichkeit in den Nationalstaaten oft viel zu spät in solche Debatten ein.

Justizministerin Brigitte Zypries hat schon im Januar vor Frattinis Plänen gewarnt.

Verwunderlich, nicht wahr? Dabei saß Frau Zypries doch im Rat der Innen- und Justizminister, als die Pläne zur Speicherung von Fluggastdaten mehr und mehr Gestalt annahmen. Erst auf Wunsch dieses Rates hat Frattini seinen Vorschlag gemacht. Tut mir leid, aber ich kann diesen Einwurf der Bundesjustizministerin nicht ganz ernst nehmen. Wenn Sie tatsächlich etwas für den Datenschutz tun wollte, hätte sie ihre Einwände viel früher erheben können. Aber daran hat sie vielleicht gar kein Interesse.

Sie glauben, Zypries will die 13-jährige Speicherung?

Es ist schon auffällig, dass der Vorschlag zur Fluggastdatenspeicherung jeweils eine nationale Datenbank für jedes Mitgliedsland vorsieht. Da frage ich mich, warum es dafür einen Beschluss der EU braucht und wieso das nicht von den nationalen Parlamenten beschlossen wird. Es entsteht der Eindruck, dass manche Minister vermeiden wollen, dass sensible Themen in ihrem Land diskutiert werden. Genau das würde in Deutschland passieren, wenn man dort versuchen würde, die Speicherung von Fluggastdaten per Abstimmung im Bundestag einzuführen. Der Umweg über Brüssel ist der beste Weg, um unerwünschte Aufmerksamkeit zu vermeiden. Aber die EU ist nicht dafür da, umstrittene Gesetze leichter durchdrücken zu können.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ

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