CSU-Politiker Söder über grüne Politik: ‚Im Wahlkampf fahre ich Rad‘
Bei der Gentechnik stellt Bayerns Bundes- und Europaminister Sicherheit vor Kommerz. Eine schwarz-grüne Koalition im Bund hält er für möglich – wenn die Grünen nicht Gesine Schwan wählen.
taz: Herr Söder, sind Sie eigentlich ein Grünen-Hasser?
Als CSU-Generalsekretär suchte Markus Söder den Krawall. Er forderte Deutsch als Staatssprache im Grundgesetz, lehnte ein muslimisches Wort zum Freitag als "Moschee-Sender" ab und drohte dem Bundespräsidenten mit Abwahl, falls er frühere RAF-Terroristen begnadigen sollte. Daneben verlangte er gemeinsam mit jüngeren CDU-Politikern mehr Konservatismus in der Union und verfasste ein Papier zur Umweltpolitik. Ambitionen auf dieses Ressort wurden ihm bei der Regierungsbildung im vorigen Jahr nachgesagt. Doch Ministerpräsident Günther Beckstein speiste den Zögling seines Vorgängers Edmund Stoiber mit dem vergleichsweise unbedeutenden Posten des Staatsministers für Bundes- und Europaangelegenheiten ab.
Seither staunen selbst innerparteiliche Gegner, wie er sich auch in diesem Amt ins Licht rückt und wie er sich plötzlich um Ernsthaftigkeit bemüht.
Inzwischen gilt der 41-Jährige, der seit wenigen Wochen den wichtigen Nürnberger CSU-Bezirksverband führt, als möglicher Anwärter auf die Nachfolge von Beckstein oder Parteichef Erwin Huber - kritisch beäugt von der nachwachsenden Riege gleichaltriger Bezirkschefs wie dem Bundestagsabgeordneten Karl-Theodor zu Guttenberg in Oberfranken oder dem Europaparlamentarier Manfred Weber in Niederbayern. Söder selbst gibt sich in Karrierefragen betont arglos: "Ich mache die Aufgabe, die man mir stellt."
Markus Söder: Wieso? Ich bin doch ein friedfertiger Mensch.
Als Ihnen die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth vor zwei Jahren einen Mitgliedsantrag überreichte, haben Sie das Formular vor ihren Augen zerrissen.
Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich in der CSU, und daran wird sich auch die nächsten hundert Jahre nichts ändern. Ich wüsste nicht, warum ich den Grünen beitreten sollte.
Vielleicht, weil Sie sich in letzter Zeit immer häufiger zu Umweltthemen äußern und erst jüngst forderten, Bayern zum gentechnikfreien Land zu machen?
Sich mit der Bewahrung der Schöpfung auseinanderzusetzen ist das Markenzeichen der CSU. In den Siebzigerjahren waren wir die erste grüne Partei. Wir haben als erstes Bundesland ein Umweltministerium eingerichtet. Wir haben das beste Wasser, die sauberste Luft und die schönste Landschaft.
Und die bundesweit meisten Atomkraftwerke, deren Laufzeit Sie jetzt auch noch verlängern wollen. Glauben Sie, dass Sie auf diese Weise umweltbewusste Wähler überzeugen können?
Die Grünen macht die Atomfrage nervös. Sie spüren, dass ihre Position auf Dauer schwer haltbar ist. Ohne längere Laufzeiten müssten die Strompreise massiv steigen. Wir müssten mehr als eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid zusätzlich in die Luft pusten. Das ist ökologisch und sozial unmoralisch.
Daran ändert sich aber nichts, wenn Sie das jüngste bayerische Atomkraftwerk Isar II statt im Jahr 2020 erst 2028 abschalten. Dient die ganze Debatte nur dazu, den späteren Neubau von Kraftwerken vorzubereiten?
Ich bin sicher kein Kernkraftfetischist, aber ein Land wie Bayern, das zu 70 Prozent seinen Strom aus Kernkraftwerken bezieht, kann nicht von heute auf morgen aus dieser Technik aussteigen. Wir brauchen schlichtweg noch Zeit, bis genügend erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Wir wollen unter anderem die Wärme des süddeutschen Molassebeckens stärker nutzen. Für die Erforschung unter anderem dieser Geothermie geben wir in Bayern übrigens in den nächsten Jahren 350 Millionen Euro aus.
Wenig erfreut sind die Umweltverbände über Ihren Kampf für die Pendlerpauschale: Wer mitten in München wohnt und einen kurzen Arbeitsweg hat, bekommt die hohe Miete auch nicht vom Staat erstattet. Wollen Sie die Zersiedelung der Landschaft fördern?
In vielen Landesteilen ist nicht die Zersiedelung das Problem, sondern im Gegenteil die Entvölkerung. Wir können nicht wollen, dass die Ortschaften dort aussterben.
Die CSU hat jahrelang das meiste Geld nach München gepumpt. Ist Ihre verfehlte Strukturpolitik an dieser Entwicklung schuld?
Wir sind doch das einzige Bundesland, in dem der ländliche Raum noch eine gute Perspektive hat. Dagegen verlangte der frühere Münchener SPD-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel einmal, dass alle Bayern in die Metropolen ziehen und der Rest des Landes Nationalpark wird. Dabei verursachen Megacitys heute überall auf der Welt die größten ökologischen Probleme.
Was tut eigentlich der Privatmann Markus Söder in der Megacity Nürnberg für die Umwelt?
Strom sparen statt Stand-by schalten, Rad fahren statt Auto fahren – meinen Wahlkampf zum Beispiel mache ich im Wesentlichen mit dem Fahrrad.
Sie haben sich doch erst kürzlich über das Lob des Fahrrads im Umweltprogramm Ihrer Schwesterpartei CDU lustig gemacht?
Na ja, das Fahrrad ist nicht die Lösung für alle Probleme. Es geht um mehr.
Worum denn?
Zum Beispiel darum, die grüne Gentechnik aufs Minimum zu begrenzen. Draußen auf den Feldern muss Sicherheit vor Kommerz gehen. Bei der roten oder weißen Gentechnik, also in Medizin und Industrie, lässt sich das Risiko kontrollieren: Was ich im Labor entwickelt habe, kann ich dort auch wieder stoppen. In der Natur ist das anders. Wenn sich veränderte Gene in Wildpflanzen ausgekreuzt haben, kann ich das nicht mehr rückgängig machen.
Das sieht die Kanzlerin anders.
Stimmt, Angela Merkel hat eine andere Position. Die CDU insgesamt steht der Gentechnik positiv gegenüber. Das hat auch mit der ostdeutschen Landwirtschaft zu tun. Bei den Monokulturen in Brandenburg kann sich weniger auskreuzen.
Angela Merkel propagiert also eine Art LPG-Ideologie?
So würde ich das nicht sagen. Sie hat eben einen anderen Ansatz.
Sie persönlich halten es in dieser Frage eher mit den Grünen?
Für die Grünen steht die Umweltpolitik leider nicht mehr im Mittelpunkt. Auf ihrem letzten Landesparteitag war es ihnen viel wichtiger, die Kreuze aus den Klassenzimmern zu verbannen. Damit stoßen sie viele Skeptiker der Gentechnik, die christlich engagiert sind, vor den Kopf.
Die Grünen haben ihren Kruzifix-Beschluss doch längst relativiert.
Wenn sich der Landesvorsitzende der Grünen von einem Beschluss distanziert, den sein eigener Parteitag mit Zweidrittelmehrheit gefasst hat, dann ist er nicht glaubwürdig. Das zeigt nur: Die Grünen sind alles andere als die besseren Politiker, die sie im Vergleich zu den Volksparteien immer sein wollten.
Über diesen Kruzifix-Beschluss scheinen Sie sehr glücklich zu sein – so oft, wie Sie ihn im Wahlkampf zitieren.
Der grüne Landesvorsitzende Sepp Daxenberger möchte sich immer gern als besserer CSU-Politiker präsentieren. Aber wie hält er es mit dem Kreuz? Die Lederhose allein macht noch keinen guten politischen Bayern aus.
Ohne das Kreuz wäre dieser Unterschied schwer zu finden?
Vielleicht. Wir hatten die letzten zehn Jahre eine Entkernung der Inhalte der Politik, gerade durch Gerhard Schröder und Rot-Grün. Da wurde alles technisiert. Am Schluss haben wir nur noch über Prozentpunkte bei den Sozialbeiträgen oder bei der Mehrwertsteuer diskutiert.
Daran haben Sie sich kräftig beteiligt – als Mitautor des Unionsprogramms im Wahlkampf 2005 und als lautstarker Generalsekretär.
Wir haben die Wahl wohl auch deshalb nicht gewonnen, weil wir zu viel über bürokratische Details diskutiert haben.
Ist das heute nicht mehr so?
Die Diskussion über die Linkspartei hat das verändert. Die Auseinandersetzung mit ihr fordert von allen Parteien eine Konzentration auf die Inhalte. Wir arbeiten gerade an einem Konzept, wie die europäische Antwort etwa auf die Spekulationsmacht der Finanzmärkte aussehen kann. Europa kann nicht nur eine Freihandelszone sein, Europa muss auch Schutz bieten.
Sie laufen der Linkspartei nach.
Oskar Lafontaine ist der strukturkonservativste Politiker, den es gibt. Er will das Saarland der Siebzigerjahre wiederhaben. Die CSU dagegen kann sich immer wieder neu erfinden.
Und nach der Landtagswahl auch mit den Grünen koalieren, wenn es für die absolute Mehrheit nicht reicht?
Das ist noch nie passiert. Es gibt immer Propheten, die den Weltuntergang voraussagen. Wir sind fest entschlossen, die 50 Prozent zu holen. Die Identifikation von Bayern und CSU ist entscheidend für unser Gewicht in Berlin und Brüssel. Übrigens zeigt das Beispiel Baden-Württemberg: Wenn man die absolute Mehrheit einmal verloren hat, dann wird man sie nicht mehr zurückbekommen.
Glauben Sie im Ernst, dass sich die CSU dem Erosionsprozess der Volksparteien entziehen kann?
Wir haben etwas, das alle verbindet: Bayern. Das ist unser Vorteil. Wenn ein amerikanischer Kandidat punkten will, dann sagt er: God bless America. Wir sagen: Gott schütze Bayern. Bayern ist mehr als eine geografische Größe, Bayern ist ein Lebensgefühl. Auch die Zugereisten bekennen sich dazu. Sie schlüpfen fürs Oktoberfest in Tracht und feiern bayerische Traditionen. Das hat etwas mit dem klassischen Amerika-Prinzip zu tun.
Ein klares Dementi von Schwarz-Grün war das jetzt aber nicht.
In Bayern haben wir das nicht nötig.
Im Bund vielleicht schon.
Die Frage müssen die Grünen beantworten, nicht die CDU/CSU. Die Grünen müssen wissen, ob sie am Schluss der Farbtupfer auf einer rot-roten Koalition sein wollen – auf dieser wirklich urreaktionären, urrestaurativen und urspießigen Verbindung. Oder ob sie sagen: Wir wagen eine Veränderung zu mehr bürgerlicher Politik. Die Präsidentenwahl zwingt sie zu einer Antwort: Wollen sie mit der Linkspartei Gesine Schwan wählen oder nicht? Letztlich hat das Auswirkungen auf den Weg dieser Republik.
Wenn die Grünen mit Ihnen koalieren wollen, müssen sie also Horst Köhler wählen?
Sie müssen sich klar darüber werden, was sie selbst wollen. Ich war neulich mit Claudia Roth in einem sehr höflichen TV-Talk. Als wir dann aber in einem Wahlomat Fragen beantwortet haben, waren wir zehnmal unterschiedlicher Meinung.
Vertragen haben Sie sich trotzdem?
Wir haben ein völlig anderes politisches Weltbild, dabei bleibt es auch. Aber Claudia Roth ist eine engagierte Politikerin, man kann sich gut mit ihr unterhalten.
INTERVIEW RALPH BOLLMANN UND MAX HÄGLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen