CSU-Klausurtagung in Kreuth: Das doppelte Horstchen
Im Berliner Steuerstreit hat CSU-Chef Horst Seehofer triumphiert. Doch mit der Befriedung der eigenen Partei tut er sich noch schwer – Probleme gibt es mit Spitzenkandidaturen.
Die Tonlage gab Peter Ramsauer gleich zum Auftakt vor. "Es ist ein Zeichen, dass sich unsere Koalitionspartner auf uns zubewegen", sagte der Chef der 46 CSU-Bundestagsabgeordneten, die noch bis Freitag ihre jährliche Klausurtagung in Wildbad Kreuth abhalten. "Es", das war die Ankündigung, dass nach der Schwesterpartei CDU nun auch der dritte Koalitionspartner SPD seine Zustimmung zu Steuersenkungen offiziell in Aussicht gestellt hat.
In diesem Triumph wollen sich die Christsozialen nun sonnen, vor allem der neue Parteivorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Es ist der erste Erfolg, den die Partei nach dem Katastrophenjahr 2008 für sich verbuchen kann, nach dem Abschied vom Nimbus der bayerischen Staatspartei bei der Landtagswahl, der Niederlage bei den Kommunalwahlen, dem fast völligen Verlust ihres Einflusses auf die Bundespolitik.
Ob das Jahr 2009 für die CSU besser wird, ist nicht ausgemacht. Pünktlich zur Kreuther Klausur veröffentlichte das Hamburger Marktforschungsinstitut GMS eine neue Umfrage, wonach die CSU bei einer Landtagswahl mit 45 Prozent der Stimmen nur unwesentlich besser abschneiden würde als im vorigen September - trotz des Führungswechsels. Bei einer Bundestagswahl, bei der die Freien Wähler nicht antreten, bliebe die Partei mit 48 Prozent ebenfalls unter der absoluten Mehrheit.
Erschwerend kommen die Irritationen um die Spitzenkandidaturen für die anstehenden Wahlen hinzu. Für den Bundestag steht traditionsgemäß der Chef der Landesgruppe auf dem ersten Listenplatz. Parteichef Seehofer kündigte an, Peter Ramsauer als Spitzenmann für die Wahl am 27. September vorzuschlagen. Zuvor allerdings hatte Seehofer zu der Frage dröhnend geschwiegen und den Berliner Statthalter der Partei, der als allzu führungsschwach galt, nach Kräften demontiert. "Ich habe über die Spitzenkandidatur nie gesprochen", gab sich Seehofer zum Auftakt in Kreuth arglos.
Bei der Europawahl war Seehofer mit seinem Versuch gescheitert, die frühere bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier auf den ersten Listenplatz zu setzen. Die Tochter des langjährigen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Franz Josef Strauß war in Ungnade gefallen, weil sie als Vorsitzende des Münchener CSU-Bezirksverbands versucht haben soll, Parteikollegen mit Dossiers über ihr Privatleben zu erpressen. Auch hier kommt nun der vormalige Spitzenkandidat Markus Ferber zum Zug, auch hier will sich Seehofer nun nie auf Hohlmeier festgelegt haben.
Bei der Wahl am 7. Juni muss die CSU erstmals um den Einzug ins Europaparlament bangen. An dem Wahlsonntag finden in bevölkerungsreichen Bundesländern zugleich Kommunalwahlen statt, die dort die Wahlbeteiligung erhöhen werden. Im wenig europabegeisterten Bayern hingegen könnten viele Wahlberechtigte den Urnen fernbleiben. Verbunden mit den ohnehin schlechten Umfragewerten könnte das dazu führen, dass die Partei bundesweit die Fünfprozenthürde verfehlt.
Rettung sucht die CSU in euroskeptischen Tönen. Ihm wolle man das Signal mitgeben, dass die "Grenzen" der EU klar definiert werden müssten, kündigte Ramsauer an. Die CSU formuliere auch "ein klares Nein" zu "eigenen Steuerquellen für Europa", sagte der Landesgruppenchef.
Für die Bundestagswahl zeichnet sich nach der Einigung im Steuerstreit ab, dass die Unionsparteien wieder mit einem gemeinsamen Wahlprogramm antreten. Als Friedenssignal wird Seehofer am Wochenende an der Vorstandsklausur der CDU teilnehmen, nachdem er seinen Auftritt auf deren jüngstem Parteitag abgesagt hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Berlin nimmt Haftbefehl zur Kenntnis und überlegt