piwik no script img

CSD'95 ohne Verein

■ Schwule und Lesben nach dem großen Krach am Christopher-Street-Day'94 an einem Tisch

War das, was sich beim Bremer Christopher-Street-Day im Juni abspielte, eine Tragödie, eine Komödie oder war es einfach nichts? Drei Monate wurden in den Lagern, die sich an der Kampflinie –Karneval versus Politik' gebildet hatten, Wunden geleckt. Gestern setzten sich die Lesben und Schwulen wieder an einen Tisch.

Im Mittelpunkt der Kritik stand der Anfang des Jahres gegründete Verein „Cristopher-Street-Day Bremen/Weser-Ems“, der im Juni als Veranstalter aufgetreten war. Doch dessen CSD-Planungen, monierte schon damals die lesbisch/schwule Initiative „Suspekt“, waren zu wenig politisch ausgerichtet. Nicht allein das Sponsoring durch Firmen wie „West“ und „Prinz“ wurde attackiert, sondern auch das feste Feiern ohne fundamentale Gesellschaftskritik: Es reiche nicht, „nur die Lust am Anderssein zu demonstrieren.“

Der Streit ist alt und sorgte auch andernorts für auseinanderklaffende Parteien. Am CSD-Tag selbst sah sich der Verein „CSD Bremen/Weser-Ems“ durch die Aktionen von „Suspekt“ derart gestört, daß er die Polizei um Hilfe rief. Die stellte die Ordnung schnell wieder her, zwei Strafverfahren gegen Suspektler sind die Folge. Zu allem Übel entlud sich die nach Satisfaktion dürstende Restwut in Form von körperlichen Auseinandersetzungen zwischen schwulen Kämpen, die teilweise auch anwesende Frauen mit einbezogen.

Gestern zeigte der Verein „CSD Bremen/Weser-Ems“ verhaltene Reue: „Wir haben wohl überreagiert, als wir die Polizei riefen“, räumt Wilhelm Breßer ein. Das war zu wenig, zu lau, um zu verhindern, daß seine Funktion als Veranstalter des CSD 95' in Frage gestellt wurde. „Brauchen wir überhaupt einen CSD-Verein“, stellte nach zäher Debatte um Aus- und Abgrenzugen endlich einer der etwa 30 Anwesenden die Gretchenfrage. Warum, fuhr er fort, soll nicht auch ein Aktionsbündnis die Aufgaben des Veranstalters übernehmen können?

Peu a peu kristallisierte sich heraus, daß die Mehrheit es begrüßte, den Verein vom Thron zu stoßen. Ob er wenigstens mitwirken darf, blieb gestern noch offen. Fest steht hingegen, daß es im Juni 95 wieder einen CSD geben wird. Über das Wo und Wie, kamen die die anwesenden VertreterInnen schwuler und lesbischer Initiativen überein, soll erstmalig in vier Wochen gesprochen werden. Dieses Treffen findet am 4.Oktober um 20 Uhr in den Räumlichkeiten des Sozialen Friedensdienstes, Dammweg 18, statt. dah

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen