CDU will Religionsunterricht: Pro Reli versucht Comeback
Die CDU will der Religion wieder stärkeres Gewicht in der Schule geben. Rein rechtlich könnte der rot-schwarze Senat den Volksentscheid jederzeit kippen.
Zwei Jahre nach dem gescheiterten Volksentscheid wittern die Pro-Reli-Anhänger eine neue Chance für ihr Begehren. Kommenden Montag werde der Religionsunterricht Thema bei den Koalitionsverhandlungen, bestätigte CDU-Bildungsexperte Sascha Steuer am Mittwoch der taz. Einstige Pro-Reli-Gegner fürchten nun, die CDU wolle den Volksentscheid kippen, bei dem sich eine Mehrheit gegen Religion als Wahlpflichtfach ausgesprochen hatte. Die SPD solle dem "schnellstmöglich ein Stoppschild vorhalten", forderte etwa der Präsident des Humanistischen Verbands, Norbert Kunz.
Der unter anderen von den Kirchen initiierte Volksentscheid war 2009 doppelt gescheitert: Es gab zu wenige Pro-Reli-Sympathisanten - das Quorum wurde weit verfehlt -, und zudem stimmten 51 Prozent der Wähler gegen die Initiative.
Neue Protestwelle?
Der Vorsitzende von Pro Reli und Mitglied des CDU-Landesvorstands, Christoph Lehmann, mag das Ergebnis bis heute nicht als Niederlage empfinden: "Die Berliner sind in dieser Frage eindeutig gespalten." Doch die Position seiner Partei sei klar: Der Neuentwurf des Schulgesetzes, den die CDU 2010 vorgelegt hatte, sehe Religion als ordentliches Schulfach eindeutig vor. Lehmann hofft nun auf einen Kompromiss in den Koalitionsverhandlungen.
Die SPD hatte sich 2009 deutlich gegen Religion als Wahlpflichtfach ausgesprochen, sogar noch mit eigenen Anzeigen gegen die Pro-Reli-Kampagne geworben. "An dieser Position hat sich auch nichts geändert", sagte die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Felicitas Tesch, der taz. Sie sei nicht nur persönlich, sondern auch demokratiepolitisch entschieden gegen den Religionsunterricht als Wahlpflichtfach.
Rein rechtlich kann der neue Senat den Volksentscheid jederzeit kippen. "Aber das wäre ein klarer Verstoß gegen den Bürgerwillen", sagt Michael Efler vom Verein Mehr Demokratie. Gerade die CDU habe den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) 2008 dafür gerügt, dass er sich nicht an den Tempelhof-Volksentscheid gebunden fühlte.
Nicht nur für den Fall, dass die CDU den Religionsunterricht in den Koalitionsverhandlungen trotzdem durchdrückt, erwartet Efler eine Protestwelle. Seitdem alle Zeichen auf Rot-Schwarz stehen, gebe es immer mehr Anfragen an seinen Verein. "Die außerparlamentarische Opposition wird aufblühen, weil sich ein großer Teil der Bürger durch diese Koalition nicht vertreten fühlt", prophezeit Efler.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren