CDU streitet über Landesliste: Ein Senator trickst sich ins Parlament
Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck ließ sich auf der CDU-Landesliste hinten platzieren, um schließlich ganz vorne zu landen. Manche CDU-Funktionäre sprechen mittlerweile von "Amtsmissbrauch".
HAMBURG taz | Er hat getrickst, doch hat er auch sein Amt missbraucht? In Hamburgs CDU gibt es unverhohlene Kritik an Innensenator Heino Vahldieck, der dank vieler Personenstimmen eines der hart umkämpften Bürgerschafts-Mandate ergatterte.
Wie Vahldieck gegenüber der taz durch seinen Sprecher Ralf Kunz bestätigte, ließ er sich von seiner Partei ganz bewusst auf den eigentlich aussichtslosen Listenplatz 31 setzen.
Der Grund: Dieser steht bei den großen Parteien ganz oben auf der zweiten Seite des Stimmzettelheftes, auf dem die Wähler ihre Lieblingskandidaten ankreuzen konnten. "Ganz oben bringt mehr Aufmerksamkeit", sagte Vahldieck gegenüber NDR 90,3. "Ja, das hat Herr Vahldieck im Hinterkopf gehabt", räumt auch Kunz ein. Eine Seite des Stimmhefts anzuführen sei "natürlich ein Verstärker".
Mit Hilfe dieses Verstärkers holte Vahldieck über 13.000 Personenstimmen - und eines von nur zehn Listenmandaten der CDU. Da seine Karriere als Innensenator mit der Wahl beendet ist und die neu gewählte SPD-Regierung kein Interesse hat, den ehemaligen Verfassungsschutzchef wieder als Boss der Schlapphüte zurückzuholen, war für Vahldieck ein Abgeordnetenmandat die letzte Chance, im politischen Geschäft zu bleiben.
Doch einige Parteikollegen sind mächtig verärgert über den Coup des Senators und sprechen hinter vorgehaltener Hand von einer "Schweinerei" Vahldiecks, mit der er den Willen der CDU-Basis bewusst missachtet habe. Dem Innensenator ist das Hamburger Landeswahlamt unterstellt, das die Wahlzettel konzipierte. Schon macht in der CDU das böse Wort vom Amtsmissbrauch die Rede.
Doch da hat Vahldieck sich abgesichert. Er zieht sich darauf zurück, dass die Obleute aller Bürgerschafts-Parteien am 22. Dezember des vorigen Jahres das Layout der Stimmhefte abgesegnet hatten - 17 Tage bevor die CDU-Landesversammlung ihre Wahlliste beschloss. Seinen Parteifreunden sei also offiziell bekannt gewesen, dass die zweite Stimmheft-Seite mit Platz 31 beginnt.
Zwar bescherte Platz 31 auch anderen Glück - die nahezu unbekannte Grünen-Politikerin Heidrun Schmitt zieht von diesem Listenplatz genauso in die Bürgerschaft ein wie ihr SPD-Kollege Jan Quast. Doch war etwa Quast nicht bewusst, welche Chancen die 31 bietet. Er wollte eigentlich auf Platz 17 kandidieren, wurde dann aber von der Parteispitze auf Platz 31 zurückgestuft.
Dass diese Degradierung seine Chance sein könnte, will Quast erst bemerkt haben, "als meine Frau die Musterstimmzettel aufschlug und sagte: ,Mensch, deinen Namen liest man zuerst bei der SPD'."
"Die anderen Parteien haben nicht erkannt, welche Chance der Platz 31 bietet", vermutet auch Manfred Brandt, Sprecher der Initiative "Mehr Demokratie", die für das neue Hamburger Wahlrecht gestritten hat. Aufgrund seines Amtes hätte Vahldieck "einen Informationsvorsprung" gehabt.
Der Hamburger Verfassungsrechtler und frühere CDU-Abgeordnete Ulrich Karpen spricht von einem "Herrschaftswissen", mit dem sich Vahldieck einen "Startvorteil verschafft" habe. Vahldiecks Vorgehen sei "möglicherweise unlauter, wenn auch rechtlich wohl nicht angreifbar".
Denn auf der Delegiertenversammlung der CDU, die die Landesliste absegnete, war das Wahlzettel-Layout kein Thema. Im Gegenteil: Mehrere Medien hatten den Listenplatz Vahldiecks als "chancenlos" eingestuft, ohne dass jemand aus der CDU-Spitze widersprochen hätte - Vahldieck selbst schon gar nicht.
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