CDU in Hamburg: Feuerwehrmann flieht vom Brandherd

Der Rücktritt von Parteichef und Finanzsenator Freytag wird ohne großes Bedauern zur Kenntnis genommen. Unter Bürgermeister Ole von Beust wird nun Fraktionschef Schira zum neuen starken Mann.

Der Neue, der Alte und der Ewige (v.l.n.r.): Frank Schira, Michael Freytag und Ole von Beust am Montagabend auf dem Parteitag der Hamburger CDU. Bild: dpa

Überschwänglich klingt anders: "Ich habe in den vergangenen zwei Jahren immer gut mit Dr. Michael Freytag zusammengearbeitet", verkündet die Vorsitzende der Hamburger Grün-Alternativen Liste (GAL), Katharina Fegebank. Und natürlich wünsche sie ihm für die Zukunft "alles Gute". Viel nüchterner kann eine Parteichefin den Vorsitzenden und Finanzsenator des Koalitionspartners nicht verabschieden. Der Rücktritt von allen politischen Ämtern, den Freytag am Montagabend auf einem Parteitag der Hamburger CDU verkündete, trifft im Stadtstaat an der Elbe auf wenig Bedauern.

Freytag sei "dem Krisenmanagement nicht gewachsen" gewesen, kommentiert der Bund der Steuerzahler, die Handwerkskammer "zollt Respekt", die Handelskammer spart sich sogar jegliche Stellungnahme, und selbst die CDU-Fraktion in der Bürgerschaft schweigt. Einsam ist es geworden um Freytag, der jahrelang als Kronprinz von Bürgermeister Ole von Beust galt. Die Zeit seit Herbst 2008 "waren die härtesten Jahre meines Lebens", klagte er vor fast 600 CDU-Mitgliedern: "Ich bin durchs Feuer gegangen und wurde teils mit brutaler Kritik an den Pranger genagelt."

Seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise vor eineinhalb Jahren habe es "drei Einschläge" gegeben, sagte Freytag: "Die HSH Nordbank, Hapag Lloyd und die sinkenden Steuereinnahmen". Diese haben ihn offensichtlich zermürbt: "Es war ein Leben im Ausnahmezustand." Vor allem in den Affären um die Milliardenverluste der Nordbank sowie die Gehälter und Boni ihrer Vorstandsmitglieder hat Freytag keine gute Figur gemacht. Noch im Herbst 2008 erklärte er die Bank unverdrossen "für im Kern gesund". Schon damals kämpfte er um sein politisches Überleben mit den Worten: "Es macht keinen Sinn, den Feuerwehrmann beim Löschen zu erschießen." Jetzt gibt der 51-jährige Bankkaufmann und Jurist auf und wechselt "in die Wirtschaft".

Nach Beusts Regierungsantritt 2001 hatte Freytag eine steile Karriere in Fraktion und Senat gemacht. Zunächst als Fraktionschef, dann als Umwelt- und Stadtentwicklungssenator, schließlich seit 2007 als Finanzsenator und Parteivorsitzender wurde er zur wichtigsten Stütze des Bürgermeisters. Beide zusammen sind auch die Architekten der ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene, die Freytag auch auf dem Parteitag ein letztes Mal als "notwendige strategische Partnerschaft" verteidigte: "Unser Weg zu einer modernen Großstadtpartei und die Öffnung für neue Schichten ist ohne Alternative."

Die Alternative zu ihm heißt Frank Schira. Der ehrgeizige Fraktionschef hatte hinter den Kulissen seit langem zielstrebig an seiner Karriere gebastelt. Die Nachfolge Freytags als Vorsitzender anzustreben, hat der 45-Jährige nie dementiert. Jetzt wurde er vom Landesvorstand noch am Abend als neuer Chef nominiert, seine Wahl soll auf dem nächsten Parteitag am 26. Juni erfolgen.

soll Nachfolger Freytags als Finanzsenator werden. Der gebürtige Hamburger ist mit Ole von Beust seit den 1980er-Jahre aus der Jungen Union bekannt.

Als Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde arbeitet Frigge seit September 2008. Davor war er zehn Jahre geschäftsführender Gesellschafter der von ihm selbst gegründeten Unternehmensberatung C4 in Düsseldorf gewesen.

Bis 1990 war er in der Hamburger CDU aktiv; unter anderem als Referent des damaligen Fraktionschefs und Bürgermeisterkandidaten Hartmut Perschau, der später in Bremen Minister in der großen Koalition unter Bürgermeister Scherf (SPD) wurde.

Der Diplom-Kaufmann Frigge wechselte danach als Referent zum Boss der Deutschen Aerospace, Jürgen Schrempp, nach München und zur Unternehmensberatung Roland Berger in Düsseldorf.

Die rot-rote Opposition weint Freytag erwartungsgemäß keine Träne nach. "Der Rücktritt war längst überfällig. Freytag hinterlässt desaströse öffentliche Finanzen", kommentiert die Fraktionschefin der Linken, Dora Heyenn. SPD-Chef Olaf Scholz sieht "Zerfallserscheinungen dieser Regierung", der SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Michael Neumann, attestiert Freytag "die Flucht aus der Verantwortung". Der SPD-Obmann im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur HSH Nordbank, Thomas Völsch, sagte, Freytag habe die Schieflage der Bank lange auch gegenüber dem Parlament geleugnet. Trotz seines Rücktritts werde sich Freytag "als Zeuge vor dem PUA äußern müssen".

Richtig gut gelaunt reagierte Hamburgs Ver.di-Chef Wolfgang Rose: "Als erste Amtshandlung des neuen Finanzsenators wünsche ich mir einen Bundesratsantrag Hamburgs für eine Vermögenssteuer und 200 Steuerprüfer für Millionäre."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.