■ CDU beschließt Norbert Blüms Plan zur Rentenreform: Trotzdem – die Debatte geht weiter
Es kam, wie es zu erwarten war. Der Kanzler und sein Sozialminister haben sich durchgesetzt. Damit ist Zeit gewonnen, nicht mehr, nicht weniger. Es war nicht die erste und auch nicht die letzte Rentenreform. Die demographischen Rahmenbedingungen können die Rentenpolitiker der CDU sowenig aus der Welt schaffen wie die Sozialpolitiker der SPD die globalen Veränderungen. Man kann beides nur ignorieren. Die Frage ist: Wie lange noch?
Seit der Schlüsselentscheidung für das gegenwärtige Rentensystem im Jahre 1956 hat sich die Rentenbezugsdauer stark verlängert, die Erwerbsphasen dagegen haben sich stark verkürzt. Auf immer weniger aktive Beitragszahler kommen immer mehr Rentner. Die Beschäftigungsentwicklung müßte schon, gelinde gesagt, extrem günstig ausfallen, um das zu ändern. Alle hoffen es, niemand glaubt es. Was an Rhein und Ruhr, bei Kohle und Stahl, passiert, ist für die Zukunft wichtiger als das, was gestern in Bonn beschlossen wurde: der dramatische Abschied von der Industriegesellschaft, wie wir sie kennen.
Systemimmanent konnte und wollte die CDU nicht weitergehen. Eine Expertise der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat kürzlich vorgeschlagen, alle Erwerbsformen, auch Selbständige und Geringbeschäftigte, in die Rentenversicherung einzubeziehen und darüber hinaus auch eigenständige Ansprüche für die Nichterwerbstätigen vorzusehen. Das eine geht gegen den Trend der Zeit: Immer mehr junge Leute fragen sich, warum sie immer höhere Beiträge für immer niedrigere Renten und auch noch höhere Steuern zahlen sollen. Sie werden eines Tages das ganze System abschütteln, und niemand wird sie daran hindern. Ansprüche für Nichterwerbstätige über den gegenwärtigen Zustand (Erziehungs- und Pflegezeiten) hinaus? Abgesehen von der Frage, wer die Beiträge finanzieren soll – dies ginge an das Herz aller sozialen Dinge: Wie lange noch trägt die Erwerbsarbeit als Fundament des deutschen Sozialversicherungsstaates?
In nun bald 50 Jahren hat die Bundesrepublik nur sechs Kanzler und nur sieben Sozialminister verbraucht, eine außerordentliche Kontinuität und Stabilität in der Sozialpolitik. In dieser großen Tradition steht auch das, was die Christdemokraten gestern auf ihrem Kleinen Parteitag beschlossen haben. Doch manchmal verhindern die Erfolge von gestern die Reformen für morgen. Die Debatte geht weiter. Warnfried Dettling
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