CDU belebt DDR-Ehekredit wieder: Thüringer dürfen abkindern
Wie in der DDR: Zur Geburt eines Kindes bekommen Familien einen günstigen Kredit. Folgt weiterer Nachwuchs, werden auch mehr Schulden erlassen.
DRESDEN taz Manche Bürger Ost haben noch eine vom DDR-Ehekredit gekaufte Schrankwand in ihrer Wohnung stehen. 17 Jahre danach kommt er wieder, in verblüffend ähnlicher Form und lediglich unter dem neuen Namen "Familiendarlehen". Dass nicht alles schlecht war in der DDR, meint nun offenbar auch das CDU-regierte Thüringen. Insbesondere die führenden Frauen in der Thüringer Union wie Landtagsfraktionsvorsitzende Christine Lieberknecht haben sich für eine Wiederauflage des geburtenfördernden Mittels aus der Sozialdiktatur eingesetzt. Nun beschloss die absolute Mehrheit der CDU im Thüringer Landtag den Landeshaushalt für die kommenden beiden Jahre und damit auch das Familiendarlehen.
Verheiratete und unverheiratete Eltern, denen nach dem 30. Juni 2008 ein Kind geboren werden wird, dürfen aus diesem Anlass einen zinsgünstigen Kredit von 5.000 Euro in Anspruch nehmen. Das Darlehen ist also nicht zinslos wie in der DDR, der Zinssatz soll aber etwa 2 Prozent unter den marktüblichen Werten liegen. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre, wobei die Tilgung erst nach fünf Jahren beginnt. Wie einst kann der Kredit "abgekindert" werden, wie es in der DDR hieß: Kommt ein zweites Kind auf die Welt, werden 1.000 Euro erlassen, beim dritten weitere 1.500. Vom vierten Kind an müssen die Eltern das Darlehen gar nicht mehr zurückzahlen.
Eine Bonitätsprüfung durch die beauftragte Bank schließt allerdings sehr arme Familien aus. Diese nicht Anspruchsberechtigten erhalten für ein zweites und drittes Kind eine einmalige Prämie von 500 Euro.
Das Darlehen ergänze die sogenannte Familienoffensive der Landesregierung, sagte Thomas Schulz, Sprecher des Sozialministeriums. "Thüringen will familienfreundlichstes Bundesland werden." Für die Finanzierung sind in den kommenden beiden Jahren 6,7 Millionen Euro veranschlagt. "Wenn das Geld wegen starker Inanspruchnahme nicht reicht, wäre das ein Erfolg", gibt sich Schulz optimistisch. Details soll eine Förderrichtlinie regeln.
Diese Familienoffensive ist allerdings umstritten: Ein Landeselterngeld wirkt wie eine Herdprämie und hat bereits zum Abbau von 320 Erzieherinnenstellen geführt. Ein erfolgversprechendes Volksbegehren dagegen erklärte das Landesverfassungsgericht nach Klage der Regierung für unzulässig. Bei der Opposition stößt der Kinderkredit ebenfalls überwiegend auf Ablehnung. "Für sich genommen wäre es eine gute Sache", meinte Familienpolitikerin Margit Jung von der Linksfraktion. Angesichts vorausgegangener Kürzungen bei der Kinderbetreuung aber sei der Kredit nicht mehr als ein "Bonbon", der wegen der Bonitätsprüfung nicht einmal den eigentlich Bedürftigen zugutekomme. Entscheidend bleibe die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weshalb die Abgeordnete der Linken an der stimulierenden Wirkung zweifelt.
Der SPD-Fraktionschef Christoph Matschie nannte das Familiendarlehen einen "alten Ladenhüter, der den Familien nicht wirklich weiterhilft". Umfragen zeigten, dass Eltern mehrheitlich das Geld lieber in eine gute Kinderbetreuung stecken würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!