: CDU-Wähler sterben aus
■ CDU-Anhänger sind älter, verheiratet und gut betucht / SPD verliert bei allen / Junge und Verheiratete wählen PDS / Wohngemeinschaften und Singles sind grün
Die Ergebnisse der Wahlen zum Abgeordnetenhaus offenbaren weit mehr als nur jene Erkenntnis, welche Partei wie viele Anhänger finden konnte. Ein Blick in die Wahlkreise, in denen die einzelnen Parteien besonders gut und besonders schlecht abgeschnitten haben, verrät die Zusammenhänge zwischen Ausländeranteil, Alter und Familienstand einerseits und dem Wahlerfolg andererseits.
Bei der CDU etwa müßten die Alarmglocken läuten. Zwar hat die Union mit drei Prozentpunkten relativ wenig verloren und blieb in Berlin stärkste und wurde in Ostberlin erstmals zweitstärkste Kraft. Doch künftig müssen sich die Konservativen auf größere Wahlschlappen einstellen: Ihre Wähler sterben weg, und im Westteil kann sie nur wenig junge Wähler zugewinnen. In den Wohnquartieren mit einem hohen Anteil der Bevölkerung über 50 Jahren sowie mit einem hohen Anteil Verheirateter holte die CDU überdurchschnittlich viele Stimmen. Im Westteil schnitten die Konservativen besonders dort gut ab, wo wenig Berliner ausländischer Herkunft zu Hause sind.
Die SPD wiederum mußte sich gestern vom statistischen Landesamt bescheinigen lassen, daß sie „an Konturen verliert“. Den Sozialdemokraten laufen nämlich nicht die Wähler einzelner, sondern aller Bevölkerungsschichten davon. In ihren traditionellen Hochburgen mußte die SPD die größten Verluste hinnehmen. In den Ostbezirken gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Abschneiden der SPD und dem anderer Parteien: In den Wahlkreisen mit guten CDU- und FDP-Ergebnissen ist auch die SPD erfolgreich.
Die seit Sonntag drittstärkste Kraft, die PDS, konnte wiederum ihr Profil schärfen. Sie gewann im Osten in Wahlkreisen mit hohem Anteil von Ausländern, Bewohnern unter 50 Jahren und Verheirateten. In dieser Stadthälfte hat sie überdurchschnittliche Zuwächse in den Wahlkreisen, in denen die CDU und die FDP bei der Bundestagswahl gut abschnitten. Die stärkste Konkurrenz stellen die Bündnisgrünen dar – denn in jenen Wahlkreisen, wo die PDS besonders schwach ist, schneiden die Grünen auffällig gut ab. Im Westteil trifft die PDS auf eine anders zusammengesetzte Anhängerschaft: Hier ist der Anteil der Ledigen besonders hoch.
Die Bündnisgrünen sind nicht mehr nur die Partei der Wohngemeinschaften und nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Auch Single-Haushalte wählen die Bündnisgrünen immer öfter. Sowohl im Ost- wie im Westteil erzielen sie in Wahlkreisen mit einem hohen Anteil von Ledigen doppelt so gute Ergebnisse wie im Landesdurchschnitt. Für den Westteil gilt ferner: Je höher der Ausländeranteil und je jünger die Bevölkerung, desto höher ist auch der Stimmanteil der Grünen. In Ostberlin schneiden die Alternativen sowohl in Regionen mit besonders hohem als auch mit besonders niedrigem Ausländeranteil schlecht ab.
Die FDP hat nach den soziodemographischen Merkmalen eine mit der der CDU vergleichbare Anhängerschaft. Sie verlor in ihren Hochburgen besonders stark. Gegen die These, ihre Wähler seien am Sonntag zu Hause geblieben, spricht, daß in Wahlkreisen mit niedriger Wahlbeteiligung die FDP-Ergebnisse kaum schlechter waren als in Kreisen mit hoher Beteiligung. Dirk Wildt
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