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CDU-Politiker über Islam"Der Stammtisch ist keine Lösung"

Volksparteien dürfen sich nicht vom Populismus leiten lassen, sagt der CDU-Politiker Ruprecht Polenz. Er empfiehlt der Union eine offene Debatte.

Polenz: "Deutschland will ein Integrationsland sein" Bild: dpa
Interview von Gordon Repinski

taz: Herr Polenz, gehört der Islam zu Deutschland, wie es Bundespräsident Wulff sagt?

Ruprecht Polenz: Ja. Er hat deutlich gemacht, dass unser Grundgesetz auf dem jüdisch-christlichen Menschenbild beruht. Und er hat gesagt, dass heute auch der Islam zu Deutschland gehört. Das ist selbstverständlich bei vier Millionen in Deutschland lebenden Muslimen.

Warum sorgen die Äußerungen in der Union für so viel Wirbel?

Manche haben etwas hineingelesen, was der Bundespräsident nicht gesagt hat. Er hat eben nicht gesagt, dass Deutschland genauso muslimische wie christlich-judäische Wurzeln habe. Offensichtlich wirkt das Gift der Sarrazin-Debatte nach.

Die CSU war am lautesten. Eine Art konservative Profilierung?

Ich bin besorgt darüber, wenn eine Rede des Bundespräsidenten in gleicher Weise kritisiert wird wie die eines anderen Politikers. Konservative sollte es auszeichnen, dass sie in besonderer Weise Respekt vor dem Amt des Staatsoberhaupts haben.

Bild: dpa
Im Interview: 

Ruprecht Polenz, 64, ist Mitglied der CDU, Jurist und seit 2005 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Schwerpunkte seiner Arbeit sind unter anderem der Nahe und Mittlere Osten, insbesondere Iran, Türkei und der Nahostkonflikt. Polenz ist Vorsitzender der Christlich-Muslimischen Friedensinitiative. Er wirbt für einen EU-Beitritt der Türkei.

Die Basis will die harte Linie.

Es gibt in Deutschland ein außerordentlich negatives Bild vom Islam. Die Gefahr ist, dass wir ihn wahrnehmen, wie islamistische Fundamentalisten ihn gerne hätten. Aber Bin Laden und die Seinen pervertieren den Islam. Sie haben kein Erklärungsmonopol. Das müssen wir klarmachen.

Wie soll die Union mit dem Unmut an der Basis umgehen?

Wir müssen über die Sorgen offen sprechen. Über nicht geglückte Integration, fehlende Bildungsangebote und Pflichten, bestehende Angebote anzunehmen. Wir dürfen auch nie das Gefühl zulassen, dass in Deutschland darüber nicht offen gesprochen werden dürfte.

Die SPD hat eine ähnliche Debatte erlebt. Verlieren Parteien die Stammtische?

Wir Volksparteien müssen zur Mitte hin integrieren. Sich am Stammtisch niederzulassen und dort zu bleiben ist keine Lösung.

Sehen Sie die Gefahr einer neuen Partei rechts von der Union?

Die Gefahr islamophober, populistischer Parteien besteht in Deutschland und Europa. Dem begegnet man nicht, indem man deren Rhetorik annimmt. Wir müssen offene Fragen in bester aufklärender Manier im Sinne von Toleranz, Common Sense und Gemeinwohl beantworten.

Hat die Union dabei ein Defizit?

Wir hatten. Der Satz "Deutschland ist kein Einwanderungsland" hat das Denken in der Union lange blockiert. Jetzt sagen wir "Deutschland will ein Integrationsland sein". Damit stellen wir uns der Herausforderung aktiver. Wir sind ein Stück weiter.

Sie sind für den Türkei-EU-Beitritt. Warum nicht die Union?

Es ist die Sorge, dass eine zu große EU Handlungsfähigkeit verliert. Zum anderen argumentieren manche mit einer "kulturellen Andersartigkeit" der Türkei und des Islam. Deshalb müssen wir Ernst machen mit Aufklärung. Das ist nämlich auch Grundlage des Grundgesetzes.

Gibt es in der Union Ressentiments gegen Muslime?

Wie in der Bevölkerung insgesamt, wie jede Umfrage über das Islambild zeigt. Die Union fällt da nicht aus dem Rahmen. Aber sie unterscheidet sich auch nicht von der Bevölkerung.

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15 Kommentare

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  • N
    noevil

    Liebe/r Waldfrucht! Die FDP ist fleissig dabei, unseren Sozialstaat in einen Almosenstaat umzuwandeln. Und den gibt es in den moslemischen Ländern auch. Nur ist die Sitte, zinslos zu arbeiten und vom Erarbeiteten den Armen zu geben nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern liegt im Ermessen wohlerzogener Angehöriger des Islam.

     

    Ist am Ende die FDP deshalb so liberal, weil sie sich (mit Ausnahme der Zinsvorschriften)dasselbe für ihre Klientel wünscht? Ein Schelm, wer ...

  • M
    Mirko

    "Ruprecht Polenz: Ja. Er hat deutlich gemacht, dass unser Grundgesetz auf dem jüdisch-christlichen Menschenbild beruht."

     

    Nein. Da irrt der Bundespräsident. Unser Grundgesetz beruht auf dem Grundsatz der Aufklärung und Gleichheit das Menschen. Emanuel Kant, Herr Polenz.

     

    Was Herr Wulff meinte ist das ihm die Fundamentalisten von allen Seiten, d.h. von jeder der monotheistischen Religionen, gleichwertig willkommen sind. Das ist sehr gefährlich.

     

    Keine Religion hat etwas in unserer Verfassung verloren. Es wird Zeit das das mal wieder klar und deutlich formuliert wird. Diesem Thema sollte sich die Presse doch mal wieder annähern.

  • TE
    Theodor Ebert

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    Nach Herrn Polenz, so wie er Herrn Wulff verstanden haben will, beruht "unser Grundgesetz auf den jüdisch-christlichen Menschenbild". Dem muss deutlich widersprochen werden. Unser Grundgesetz beruht auf den Werten der Aufklärung, auf dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen, auf dem Gedanken der Gewissensfreiheit, der Menschenrechte. All das musste gegen den Widerstand der christlichen Religion erkämpft werden. Mit dem christlich-jüdischen Menschenbild, wie es in der Bibel zu finden ist (wo auch sonst) ist etwa die Steinigung von Homosexuellen gut verträglich. Nur gut, dass unser Grundgesetz eben nichtauf dem jüdisch-christlichen Menschenbild beruht!

  • R
    Ruslan

    Bisher stand die "Linke" für mich als Wächter der arbeitenden Bevölkerung. Ihre Aufgabe sollte es sein, die Ausbeutung des Menschen durch das Kapital zu verhindern. Und da gibt es keine Themen? Gerade die Integrationsdebatte zeigt doch, dass das Kapital sich längst mit dem Islam und seinen potenten Führern (Erdogan&Co) geeinigt hat. Wer bezahlt den systematischen (!!) Raubbau an unserem Sozialsystem? Deutsch Krankenkass bezahlt Ärzte in Anatolien, die irgendwie eine Leistung abrechnen etc. Wer bleibt mit einer Staatsquote von 50 % Steuern und Abgaben auf den Lohn der Dumme? Zeitverträge, die eine mittelfristige Lebensplanung nicht mehr für junge Leute ermöglichen. Kein Thema für eine Kampagne?? Millionen junge Hartz IVler, die direkt von der Schule Geld in den Hals geschmissen bekommen, für dass das Proletariat in einer immer rigider werdenden Arbeitswelt sich krumm schuftet. Da gibt es nichts zu meckern?? Rentner, die zunehmend ausgegrenzt werden, wenn es um ihr Geld geht(Ehemalige Arbeiter).

    Kein Themenfeld? Die Verelendung von arbeitenden Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit einem Vollzeitjob nicht mehr bestreiten können. Uninteressant?? Ständig steigende Stromkosten, die durch die Entwicklung des Energiemarktes nicht mehr nachzuvollziehen sind und nur aus der Macht der Monopole erklärbar werden. Politiker aller Couleur, die sich den Lobbies verschreiben auf Kosten des Proletariats...... Was passiert? NIchts, aber auch rein gar nichts! Kungelt man eventuell mit dem Klassenfeind herum? Bei so manchen Kontoständen der führenden "Linke" - Funktionäre scheint das nicht abwegig, oder?

  • W
    Waage

    Herrn Polenz möchte ich nicht zu nahe treten da ich viel von ihm halte.

    Manchmal denke ich aber, dass eine "re-Religionisierung" (!?) vielen konservativen Herren (und Frauen) in der CDU ganz recht kommen könnte.

    Ich denke, mancher in der CDU (nicht Polenz) möchte den Islam unter der Hand für sich nutzbar machen, nachdem der abgehalfterte Katholizismus für sie nicht mehr ausreichend in der Lage ist, die Emanzipierungsbestrebungen der Menschen im Allgemeinen und der Frauen im Speziellen im Griff zu behalten.

     

    Die Linke sollte deshalb aufpassen, dass sie das Erbe der Französischen Revolution nicht verspielt indem sie den religiösen Einfluss, den sie in Jahrhunderten langsam unter vielen Rückschlägen aus der Politik zurückgedrängt hat nun durch die Hintertür (Islam) wieder hereinlässt.

  • P
    Peter

    Aus der "Islam gehört zu Deutschland" und "die Scharia gehört zum Islam", folgt, dass auch die Scharia zu Deutschland gehört.

     

    Wer das leugnet, darf zwar den Islam als zu Deutschland gehörig sehen, muss aber die Logik verbieten.

     

    Aber auch das muss man eignetlich doch wieder nicht, denn, wenn der Islam weiter fortschreitet in Europa, wird er ohnehin 'ne Menge verbieten.

  • W
    waldfrucht

    Eins ist ja wohl unbestritten: es findet seit Jahrzehnten eine EINSEITIGE Zuwanderung vom islamischen zum "aufgeklärten" o. westlichen Kulturkreis statt - und nicht umgekehrt!

     

    Diese Bewegung in nur die eine Richtung hat einen simplen Grund: den Sozialstaat, den es so nicht in der islamischen Welt gibt, da er offenbar nicht zum feudal-islamischen Kulturkreis dazu gehört! (Daraus kann man keinem islam. Zuwanderer einen Vorwurf machen, es ist absolut logisch dieses Angebot anzunehmen)

     

    Das islamische Sozialstaatsmodel ist der Familienclan - wie vor 1000 jahren - und wir werden erleben wie innerhalb weniger Jahrzehnte unser Sozialstaat "zugunsten" des Familienclans völlig abgebaut wird.

     

    ...und dass diese Rückentwicklung nicht reibungslos vonstatten geht, muss man glaub ich nicht dazu sagen.

  • N
    noevil

    Herr Polenz ist eine wohltuende Figur in einer politischen Landschaft, die sich zunehmend durch immer extremere Auslegungen definiert. Darf man die Herren Geis, Bosbach und Uhl fragen, wie sie sich eine Integration der ausländischen Mitbürger vorstellen, die gefälligst ihre Religion vor den deutschen Grenzen zurück zu lassen haben?

     

    Ein laizistischer Islam - ohne Scharia - hat nach meiner Meinung natürlich bei uns Platz. Und vielen integrationswilligen Muslimen sollte erklärt werden, wo die religiösen und kulturellen Trennlinien verlaufen. Das wissen selbst heute Viele (Muslime und Christen) noch nicht in unserem Land.

     

    Es gibt so viele hervorragende Köpfe aller möglicher muslimischer Nationen hier bei uns, die sich dessen annehmen könnten.

     

    Davon abgesehen finde ich rein architektonisch betrachtet, Moscheen ausserordentlich ästhetisch. Nur den Ruf des Muezzin könnte man durch einen anderen für europäische Ohren harmonischer anmutenden Klangkörper ersetzen, der sich zwar von den Glocken abhebt, aber dennoch mit ihnen harmoniert.

     

    Findige Köpfe - macht Euch an die Arbeit!

  • H
    HamburgerX

    "Gift der Sarrazin-Debatte"??

     

    Seit wann sind denn Debatten über ganz grundlegende Themen wie Einwanderung oder Integration "Gift"? Wenn schon eine Debatte oder Diskussion als "Gift" bezeichnet wird, kann ich nur sagen: Gute Nacht, Meinungsfreiheit, gute Nacht, Aufklärung, gute Nacht, kritisches Denken!

     

    Auch ist Polenz ein gefährlicher Schönredner. Die Einstellung vieler Muslime in Deutschland zur westlichen Gesellschaft und die mangelnde Distanz vieler Muslime zur Scharia ist ein einwanderungspolitischer Skandal, der zeigt, wie sehr die Politik in den letzten 30 Jahren versagt hat. Es geht nicht um bin Laden. Es geht um grundlegend andere Konzepte der Kultur und des Zusammenlebens, die den demokratischen Konsens in Deutschland gefährden. Solange der Islam in Deutschland nicht reformiert und modernisiert ist, sollte er auch nicht zu Deutschland gehören bzw. als integriert gelten.

  • AM
    Abou Marua

    Liebe Leute, Liebe Aufklärer, die Rede des Bundespräsidenten ist bezogen auf den Islam eine Feststellung zu der Bundesrepublikanischen Realität im 21 . Jahrundert. Islam ist eine ausgeübte Religion oder auch ein Teil des kulturellen Hintergrunds von 4 Millionen Bundesbürger. Er hat niemals gesagt, das diese Religion oder irgend eine andere die Staatsreligion sei. Aber Islamophobie wie jde Phobie ist bekanntlich nicht rational.

  • DS
    Der Simplicissimus

    "Aber Bin Laden und die Seinen pervertieren den Islam."

     

    Und dennoch scheint es den Muslimen nicht "pervers" genug zu sein, um gegen solch ein Islamverständnis einmal in gleicher Weise Stellung zu beziehen, wie sie es bei den Karrikaturen zu Mohamed sehr schnell geschafft haben.

     

    Aber warum eigentlich "pervertiert" ?

    Kein islamisches Land die UN Menschenrechtsartikel unterzeichnet. Was sicher nichts mit Binladen und den "Seinen" zu tun hat, sondern an der Unvereinbarkeit, von Islam und Demokratie liegt.

     

    Das die muslimischen Länder in der Kairoer Erklärung, ihr Menschenrechtsverständnis an die Sharia koppeln, macht dies nur allzu deutlisch.

     

    So ist also die Sorge der menschen nicht nur berechtigt, sondern auch etwas ernster zu nehmen, als dies der Fall ist.

     

    Das Wesen einer Religion, zeigt wohl dort am besten, wo sie als Majorität über eine Minderheit "herrscht". Und ein Blick auf die muslimischen dominierten , d.h. islamischen Länder macht deutlich, wovor sich die Menschen bewahren wollen....

  • B
    bernard

    Jeder hat eine Weltanschauung - der einzige Unterschied ist, dass manche ihre Prämissen NICHT offen legen wollen. Jene leute nennt man dann "modern", obwohl Sie ihre Intentionen doch verschleiern. Transparenz und Demokratie fordern aber ein explizites Bekenntnis - nur so lässt sich auch über die Weltanschauung dort diskutieren, wo sie Anwendung finden soll (nicht allein im Privaten, sondern in der Gesellschaft, gegossen in Gesetzesform). Eine selbstbewußte Botschaft würde also die eigenen Vorstellungen etwa zum Menschenbild offenlegen, anstatt andere (z.B. Muslime) zum Schweigen aufzufordern. Klartext: Wer nicht über sein Denksystem reden will, KANN niemanden überzeugen. Für Hasser jeder Religion sehe ich deshalb aus logischen Gründen schwarz! KEINE BOTSCHAFT IST AUCH KEINE LÖSUNG

  • U
    Unbequemer

    In Berlin fand eine GEW-Tagung wegen der von moslemischen Jugendlichen ausufernden Inländerfeindlichkeit statt, weil es wohl so nicht mehr weitergehen kann. Herr Buschkowski vermutet einen großen Prozentsatz unter den moslemischen Jugendlichen (20-30%), die unsere rechtstaatliche Ordnung ablehnen. Ein Blick in islamische Länder müßte Demokraten stark vorsichtig werden lassen, denn das, was dort vorherrscht ist wohl nicht der Zustand, den man hier anstreben sollte. Aber die Selbstverleugnung der eigenen Werte, das aufs Spiel setzen der Befreiung aus den Klauen des Mittelalters, all das geht weiter, weil die Menschen in Deutschland es nicht verstehen, die Lehren aus dem 3. Reich zu ziehen und dieses nicht mit Selbstaufgabe zu verwechseln. Auch ein 3. Reich kann uns nicht das Recht nehmen, zu schauen, ob die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland Züge aufweist, die eben in Ausgrenzung und Haß führen. Und wenn diese Entwicklungen bei den moslemischen Mitbürger vorhanden sind, dann wird es Zeit das offen anzusprechen. Die Politkast versagt hier fast komplett.

  • HS
    Herbert Schneider

    Bemerkenswerter Weise bezieht sich Wulff auf

    irgendwelche Religionen und nicht auf die

    Aufklärung. Der Befreiung von der selbstverursachten

    Unmündigkeit(Kant). - Darin liegt das eigentliche Ärgernis der Wulffschen Rede.

  • TL
    taz Leser

    Danke Polenz für die klaren Worte. Damit sollte jedem Bürger, der die Islamisierung Deutschlands aufhalten will, klar sein, dass die CDU nicht mehr wählbar ist.