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CDU-GrundsatzprogrammLeitkultur und Erneuerbare

CDU-Chefin Merkel hat konservative Positionen ihrer Partei bekräftigt: Öko nur mit Atomkraft und Homosexuelle dürfen keine Kinder adoptieren.

Gab den scharfen Hund der Partei: Bundeskanzlerin Angela Merkel Bild: dpa

Härte gegen Terroristen, deutsche Leitkultur und Ablehnung der Sterbehilfe - Angela Merkel betonte in ihrer Grundsatzrede auf dem CDU-Programmkongress im hessischen Hanau die konservativen Positionen ihrer Partei. Zu viele Unionspolitiker hatten in den vergangenen Tagen kritisiert, die Partei habe ihre Wurzeln vergessen.

CDU-Grundsatzprogramm

Die Beratungen über das neue CDU-Grundsatzprogramm gehen in die Schlussphase. Anfang Dezember sollen die neuen Leitsätze auf dem Parteitag in Hannover verabschiedet werden. Der vom Vorstand schon verabschiedete Entwurf hat folgende Schwerpunkte:

INTEGRATION, LEITKULTUR: Die CDU bekennt sich zur "schwarz-rot-goldenen Fahne" und zur Nationalhymne. Als Bedingungen des Zusammenlebens werden unter anderem die Beherrschung der deutschen Sprache, die Anerkennung der Grundlagen des Grundgesetzes und der respektvolle Umgang miteinander genannt. Dieses umfassende Verständnis mache die "Leitkultur in Deutschland" aus. Deutschland wird als Integrationsland bezeichnet.

FAMILIE: Die Ehe ist nach dem Verständnis der Union das "Leitbild der Gemeinschaft von Mann und Frau". Die Entscheidung von Menschen, die in anderen Formen der Partnerschaft ihren Lebensentwurf verwirklichen, werde respektiert. Der Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf wird breiter Raum gewidmet. Dazu gehört auch die Forderung, den Kindergartenbesuch mittelfristig beitragsfrei anzubieten.

ARBEIT: Die Ablehnung flächendeckender Mindestlöhne wird bekräftigt. Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes soll an die Dauer der Beitragszahlung gekoppelt werden.

INNERE SICHERHEIT: Die CDU plädiert für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Der "politische Islamismus" und der "terroristische Islamismus" werden als besondere Gefahren bezeichnet.

GESUNDHEIT: Es wird weiter für den Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung plädiert - hin zur Einführung eines solidarischen Prämienmodells mit Kapitaldeckung.

HAUSHALT/STEUERN: Bis 2015 beabsichtigt die CDU, ein grundsätzliches Neuverschuldungsverbot einführen. Auch eine Steuerreform ("einfach, niedrig, gerecht") wird angestrebt.

UMWELT/ATOMKRAFT: Bis 2020 will die CDU die Treibhausgas-Emissionen um 30 Prozent gegenüber 1990 senken. Bis dahin soll der Anteil regenerativer Energien am Energieverbrauch mindestens 20 Prozent betragen. Die Laufzeiten für Atomkraftwerke sollen verlängert werden.

Die Ministerpräsidenten Koch aus Hessen und Müller aus dem Saarland hatten die Union davor gewarnt, konservative und patriotische Positionen zu vernachlässigen. Da nörgelte Stefan Mappus, Fraktionschef der mächtigen CDU aus Baden-Württemberg, an den Plänen zum Krippenausbau von Ursula von der Leyen herum: "Mit den Inhalten ihrer Politik haben wir hier einige Probleme." Und der nordrheinwestfälische CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst barmte: "Wir dürfen den Konservatismus nicht als Begriff im Grundsatzprogramm beerdigen."

Derartige Anwürfe hat es in der Vergangenheit schon öf- ter gegeben, sie häuften sich aber vor dem Termin in Ha- nau. Dort diskutierte die CDU den Entwurf ihres Bundesvorstandes für ein neues Parteiprogramm, bevor Anfang Dezember ein Bundesparteitag über das Werk abstimmt.

Besonders in drei Punkten will der Vorstand alte Standpunkte zurechtrücken: in der Familienpolitik, in der Ökologie und auch in der Bildungspolitik. So sollen sich Christdemokraten nicht mehr auf das traditionelle Bild der Mutter-Vater-Kind-Familie fokussieren, in der die Eltern natürlich verheiratet sein müssen. "Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern dauerhaft Verantwortung tragen", heißt es in dem Programmentwurf. Ausdrücklich werden auch Alleinerziehende und Nicht-Verheiratete damit angesprochen. Und um denen ein Leben mit ihren Kindern überhaupt zu ermöglichen, schlägt die CDU-Spitze einen "bedarfsgerechten Ausbau von Einrichtungen für Kinder aller Altersklassen" vor. Den Kindergartenbesuch will die CDU "mittelfristig beitragsfrei anbieten".

In der Debatte über den Umgang mit dem Klimawandel haben sich offenbar jene CDUler durchgesetzt, die wie der Berliner Fraktionschef Friedbert Pflüger mit dem populären Thema neue Wählerschichten erschließen wollen. Nicht nur dass der Klimawandel als "ernste Gefahr für Schöpfung und die Lebenschancen künftiger Generationen" tituliert wird, es überrascht auch, wie die Union die Probleme bekämpfen will: Ganze Absätze werden der Forderung nach dem Ausbau regenerativer Energien gewidmet. Bis 2050 sollen sie gar "den Hauptanteil an der Energiebereitstellung in Deutschland tragen", bis 2020 sollen es immerhin schon 20 Prozent am Gesamtenergieverbrauch sein. Manches klingt wie direkt von den Grünen übernommen, beispielsweise die Forderung nach einer "ökologischen und sozialen Marktwirtschaft".

Ähnlich erneuert präsentiert sich das Parteiprogramm bei der Bildungspolitik: Es stehen Sätze darin wie: "Die soziale Herkunft junger Menschen darf nicht über ihre Zukunft entscheiden." Die CDU soll sich laut den Vorstellungen des Parteivorstands für "mehr Durchlässigkeit im Bildungswesen" ebenso einsetzen wie für "einen bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagsschulen".

Dass die konservativen Kritiker an solchen Formulierungen Anstoß nehmen, ist kaum verwunderlich. Allerdings ist die CDU nicht so mutig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn bestimmte Kernpositionen will die Partei auch weiterhin nicht aufgeben. Das heißt: ökologisches Profil gerne, aber mit Atomkraft - auf die könne man "auf absehbare Zeit" nicht verzichten. Ganztagsschulen ja, das gegliederte Schulsystem wird aber weiterhin ausdrücklich bejaht. Und Homosexuelle dürfen trotz moderner Familienpolitik weder Kinder adoptieren, noch sollen ihre Lebensgemeinschaften der Ehe gleichgestellt werden.

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